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Junge Unternehmer auf rotem Boden

■ Die PDS in Dresden entdeckt den Mittelstand und gründet eine Vereinigung

Dresden (taz) – Barbara Lässig hat gar niemanden gefragt, ob sie Unternehmerin werden darf. Was blieb der arbeitslosen Sportlehrerin anderes übrig als der Sprung in die Selbständigkeit? Mit 38 und drei Kindern braucht sie sich auf dem Arbeitsmarkt nicht blicken zu lassen. Nun klopfen die PDS-GenossInnen der Stadträtin anerkennend auf die Schulter: „Du bist zwar Unternehmerin, aber Kapitalistin bist du nicht.“ Darüber kann sich Barabara Lässig köstlich amüsieren.

Oft hatte sie am Unternehmerstammtisch der PDS Dresden mit Christa Luft über Politik gesprochen. Und irgendwann wurde es der letzten Wirtschaftsministerin und ihr zuviel. Barbara Lässig regte die Gründung einer Mittelstandsvereinigung bei der PDS an. Seitdem rennen ihr die Selbständigen das Haus ein. „Zwanzig Leute hatten sich spontan eingetragen, und jeden Tag melden sich weitere.“ Nicht nur PDS-Mitglieder fragen um Mitarbeit an.

Barbara Lässig ist von ihren Dresdner GenossInnen als Delegierte zum bevorstehenden PDS- Parteitag gewählt worden. Sie will dort für die ihrer Partei nahestehenden Handwerker und Gewerbetreibenden „klingeln“ und hat ein gutes Gefühl dabei: „65 Prozent unserer WählerInnen zählen sich zum Mittelstand. Die Partei muß etwas für diese Leute tun.“ Mittelstandsvereinigungen bei der PDS sollen bald auch in Leipzig und Zwickau gegründet werden. Wer noch immer mit scharfkantigen Klassenkampf-Schablonen hantiere, müsse sich eben damit abfinden, „daß die Realität dieses Denken überholt hat“. Sie jedenfalls könne sich den regen Zulauf des Mittelstandes nur so erklären, „daß diese Unternehmer eben ganz bewußt nicht zur FDP oder zuanderen Parteien wollen“.

Noch nicht einmal die sächsischen Liberalen können ihrer wichtigsten Klientel eine eigene Interessenvertretung anbieten. Aber ihren Senf zur PDS-Neugründung haben sie bereits gegeben. Die SED-Erben seien verantwortlich für den Zusammenbruch von Mittelstand und Handwerk im Osten, wettert FDP-Landeschef Joachim Günther. „Was kann ich dafür, was die vor dreißig Jahren gemacht haben?“ entgegnet Barbara Lässig. Die meisten InteressentInnen seien keine Mitglieder der PDS. Ein Gaststätteninhaber habe sich bei ihr gemeldet, der bisher in der von Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) eingerichteten Mittelstandsvereinigung Sachsen organisiert ist. „Ich habe nichts davon“, meint der Kneipier zu diesem Vorzeigeklub.

Die Jungunternehmerin will sich davor hüten, falsche Erwartungen zu verbreiten. „Gründen können wir viel und eintreten überall. Auf die Angebote kommt es an.“ Sie verspricht sich zuerst Kontakte zu anderen Selbständigen, Aufträge für den Marktneuling. Schulungen sollen organisiert werden und Wirtschaftsforen. Alte Seilschaften mit neuer Ausrüstung? „Ich kenne bisher niemanden, wir müssen uns erst mal beschnuppern. Die meisten sind Neulinge in ihrer Branche.“ Detlef Krell

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