: "Die Grünen fallen als Partner aus"
■ SPD-Fraktionschef Böger: Regierungsplanung Knackpunkt für rot-grüne Koalition / "Palast der Republik" erhalten / Wahl und Volksabstimmung zur Länderfusion gemeinsam durchführen / Flughafen nach...
taz: Die Bündnisgrünen stellen das Regierungsviertel in Frage. Christian Ströbele sagte gestern in einem Interview mit der taz, daß „eine Metropole der Bescheidenheit“ die fünfzehn Milliarden Mark für Zentralbahnhof, Tiergartentunnel, Reichstagsumbau und Kanzleramt auch anders ausgeben könne – nämlich für Universitäten und Kultur. Wären das gemeinsame Essentials einer rot- grünen Koalition?
Klaus Böger, Fraktionschef der SPD: Wer die generelle Planung im Regierungsviertel und damit auch den Umzug in Frage stellt, fällt als Koalitionspartner aus.
Vom Senat mehrmals abgelehnt, von CDU und SPD immer wieder aus der Schublade gezogen: die S-Bahn-Linie 21 unterm Tiergarten. Ein teilweiser Bau des S-Bahn-Tunnels würde die Planungen im Tiergarten um mindestens drei Monate zurückwerfen. Sind die größten Feinde für einen termingerechten Umzug also die Koalitionsparteien?
Wenn wir in der Innenstadt achtzig oder später vielleicht neunzig Prozent des Verkehrs mit Bus und Bahn bedienen wollen, dann brauchen wir die S 21. Es ist bedauerlich, daß wird das Planfeststellungsverfahren, das gerade beginnen sollte, stoppen müssen, aber es ist nicht zu ändern. Beim Regierungsumzug wird es deshalb dennoch zu keinen Verzögerungen kommen. Die Frage S 21 ist allerdings auch kein Meisterstück des Senats gewesen.
Der Bundesbauminister und Umzugsplaner Klaus Töpfer (CDU) wird morgen an der Klausurtagung der SPD-Fraktion in Königslutter teilnehmen. Worüber wollen Sie mit ihm streiten?
Ich will kein Regierungsviertel, in dem ab 20 Uhr nur noch Schäferhunde und Wachdienste zu sehen sind. Wir wollen auch Zeit gewinnen, etwa bei der Frage des Palastes der Republik. Einfach die Abrißbirne zu schwingen ist kein Konzept. Und ohne vorgreifen zu wollen, glaube ich, daß wir uns morgen für den Erhalt des Palasts aussprechen werden.
Erhalt ist eine Sache. Aber wie soll „Erichs Lampenladen“ genutzt werden?
In der Mitte der Mitte muß ein Ort der Kommunikation sein – nicht für Ministerialräte, sondern für die Bevölkerung und gesellschaftliche Gruppen. Im Palast sind Theatersäle und Bibliotheken denkbar, der leerstehende Bau könnte ein Berliner Centre Pompidou werden.
Werden Sie Töpfer drängen, für mehr Wohnungen in Berlins Mitte zu sorgen?
Die Berliner Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit ist ein hohes Gut und muß erhalten bleiben. Wir können uns in den Erdgeschossen von Bundesgebäuden auch Geschäfte und Restaurants vorstellen.
Schöne Worte, aber wird die Fraktion einen Beschluß fassen, beispielsweise daß ein Fünftel im Zentrum Wohnungen sein müssen?
Auch ohne einen förmlichen Beschluß werden wir auf einen hohen Anteil an Wohnungen drängen.
Ministerpräsident Stolpe und der Chef seiner Staatskanzlei besuchen die Klausur am Samstag. Wird die Berliner SPD beim Stellenabbau in der öffentlichen Verwaltung und bei den Schulden Verhandlungsbereitschaft signalisieren?
Das wichtigste Signal, das man geben kann, ist: Fangt endlich an mit der Schlußverhandlung. Denn die Zeit arbeitet gegen ein gemeinsames Bundesland Berlin-Brandenburg. Bei der Frage des Personals sehe ich eine Lösungsmöglichkeit. Was die Finanzen betrifft, ist unsere Position eindeutig und klar: So wie es im Staatsvertrag geregelt ist, ist es vernünftig. Was manche Brandenburger artikulieren, geht an den Realitäten der Stadt vorbei.
Gestern meldete sich Finanzsenator Pieroth und der Chef des Landesrechnungshofes, Grysczyk, zu Wort. Berlin würde in einem gemeinsamen Land elf Milliarden Mark Einnahmen verlieren und die Schulden seien nicht in zwölf, sondern erst in fünfzig Jahren abzubauen.
Das Problem mit den elf Milliarden Mark ist längst geklärt. Die Verteilung der Einnahmen zwischen Stadt Berlin und dem Land werden sich an den Ausgaben beider orientieren. Schulden kann man nur langfristig tilgen, und auch darauf geht der vorliegende Staatsvertrag ein.
Die Volksabstimmung über die Fusion ist verschoben worden. Welcher Termin ist für Sie der nächstmögliche?
Es macht keinen Sinn, die Entscheidung der Parlamente im Sommer herbeizuführen und die Volksabstimmung erst 1996 zu machen. Ich schließe nicht aus, daß mit den Bezirks- und Abgeordnetenhauswahlen und der Volksabstimmung über die neue Verfassung auch über die Fusion abgestimmt wird.
Auf der Klausur geht es außerdem um den Großflughafen. Inzwischen liegt die Wirtschaftlichkeitsberechnung vor, bei der Sperenberg am besten abschneidet. Wird sich die SPD für diesen Standort aussprechen?
Der Flughafen ist ein wichtiges Zukunftsprojekt. Der Standort Sperenberg bietet dafür die besten Voraussetzungen. Interview: Dirk Wildt
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