: Flohmarkt, USA und eine Hand
■ Heute & morgen: 3 Bremer Kurzfilmpremieren im Cinema
Das Filmbüro Bremen könnte es leicht als Affront verstehen: Gerade eine Woche vor dem „Film Fest“ feiern einige Bremer Filmemacher die Premieren ihrer neuen Kurzfilme im Cinema – zwei davon werden sogar im Programm des Film Festes zu sehen sein. Aber von ihrem Standpunkt aus haben Ali Eichelbach, Hans Joachin Hofmann, Sven Budelmann und Arne Jysch natürlich recht: im großen Programm eines Festivals gehen die Kurzfilme verloren, und meist stehen sie im Schatten der großen Spielfilme, der „main attractions“, vor denen sie als Appetithappen gezeigt werden. Da wären sie ja schön dumm gewesen, wenn sie das Angebot des Cinemas, an drei Abenden zur besten Kinozeit ihre Filme im Paket zu zeigen, abgelehnt hätten.
Und die drei ganz unterschiedlichen Produktionen ergänzen sich gut – während man bei anderen Kurzfilmprogrammen oft sehr schnell müde wird, vergehen die 60 Minuten dieser Rolle erstaunlich schnell und unterhaltsam. Zu Beginn sieht man in dem ersten 16mm Film der beiden Stuhrer Neufilmemacher Sven Budelmann und Arne Jysch den Bremer Flohmarkt in seiner ganzen grau, naßkalten Pracht. Ihr Film „Schnäppchen“ ist wie ein amerikanischer Actionfilm geschnitten – nur die Verfolgungsjagden, die kurzen Detailaufnahmen von erschrockenen Augenpaaren sowie der spannende Showdown sind an der Weser und vor dem Theater am Goetheplatz gedreht worden. Dieses Gefälle zwischen dem Erzählstil Hollywoods und den Bildern von der nächsten Straßenecke machen den Reiz dieses Debütfilms aus. Die Story von einem beklauten Dieb und einem erfolgreichen Getaway in einer Straßenbahn der Linie 2 wird schnell und witzig erzählt. Man merkt dem Film an, daß er von zwei Kinobegeisterten gemacht wurde, die ganz wild darauf waren, all das Gesehene auch mal selbst mit der Kamera zu zeigen.
Ali Eichelbachs Animationsfilm „1 Hand“ ist dagegen im wahrsten Sinne des Wortes eine Fingerübung. In einer mit Stopmotion aufgenommenen Hand tauchen die unterschiedlichsten Gegenstände auf, und danach werden Messer, Gabel, Spritze, Stift so grauslich in sie hineingebohrt, daß dies einen idealer Vorfilm zu einem Splattermovie abgeben würde.
Hans Joachim Hofmanns 30 Minuten langer experimenteller Spielfilm „Auf der Suche nach einem Unbekannten“ ist eindeutig der ambitionierste und originellste Film des Programms. Er beschreibt die Suche eines Deutschen nach seinem in Amerika untergetauchten Vater. Aber nach einem Prolog voll aus dem deutschen Familienleben, bei dem die Kamera zum Schluß in der Suppe auf dem Eßtisch versinkt, zeigt der Film Impressionen einer Amerikareise. Kaum ein Bild ist dabei unverfremdet – New York ist fast nur in Zeitrafferbildern zu sehen, und in den Vorstädten vermischen sich die Schnapschüsse vom ewig suchenden Reisenden mit kurzen Ausschnitten aus Fernsehserie oder alten Werbefilmen. Dem altgekannten Kinoamerika ringt Hofmann skurrile, fremdartige Bilder ab, die er oft verwegen montiert, aber das Risiko zahlt sich aus: sein Film wirkt wie ein rätselhaft schöner Traum von Amerika.
Wilfried Hippen
Cinema, heute und morgen um 19.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen