piwik no script img

Hooligans drohen mit „Reichskristallnacht“

■ FC-Berlin-Fans drohen Anhängern von Türkiyemspor mit Mord / Türkische Fans dennoch gegen Boykott des Spiels

Deutlicher könnte die Drohung nicht sein: „Oi, Oi, Oi, der 12jährige Türke konnte leider am Samstag, dem 11. 03. 95, nicht älter werden.“ Der Aufruf zur Gewalt, unterschrieben mit „An alle BFC- Hools“, richtet sich gegen die Fans des Regionalligisten Türkiyemspor, der am kommenden Samstag im Hohenschönhausener Sportforum gegen den FC Berlin antreten muß. Für die rassistischen Fans des ehemaligen Stasi-Clubs BFC Dynamo „ein großer Tag“, um „endlich die feigen sogenannten Jugendbanden zu treffen“. Das Sportforum, heißt es in dem Flugblatt, das bereits seit Ende vergangener Woche kursiert, „wird zur Reichskristallnacht“.

In der Vergangenheit war es immer wieder zu rassistischen Provokationen und Übergriffen gegen türkische Fans und Spieler gekommen. Erst Anfang Februar, berichtet die Türkiyem-Fan-Zeitung Victory, habe es beim Regionalligaspiel in Brandenburg „massive rassistische Pöbeleien“ gegeben. Bis auf wenige Ausnahmen in Westberlin, beklagt sich auch der langjährige Türkiyem-Fan Andreas Joerdens, gebe es bei Auswärtsspielen immer wieder Ärger. Für eine „Racheaktion“ der Ostberliner Hools sieht Joerdens allerdings keinen Anlaß. Beim Hinspiel zwischem Türkiyemspor und dem FC Berlin im August vergangenen Jahres habe es keine Übergriffe türkischer Fans gegeben. Vielmehr hätten randalierende Fans des FC Berlin Teile der Bestuhlung aus der Tribüne gerissen.

Daß die Drohung eher die „Rache dafür ist, daß die Faschos in der Vergangenheit immer wieder von türkischen Gangs eins auf die Mütze bekommen haben“, glaubt ein anderer Türkiyem-Fan. Vom ursprünglichen Aufruf des Türkiyem-Präsidenten an die Fans, das Spiel in Hohenschönhausen am Wochenende zu boykottieren, halten die Fan-Gruppen allerdings wenig. Beim Heimspiel am Samstag wurde dazu aufgerufen, sich um 12 Uhr im Vereinslokal in der Kreuzberger Admiralstraße zu treffen, um von dort gemeinsam nach Ostberlin zu fahren.

Unterdessen haben die Fußballverbände vor Gewalttaten gewarnt und zur Besonnenheit geraten. Der Präsident des Berliner Fußballverbandes, Otto Hoehne, nannte die Flugblätter eine „Provokation“, warnte zugleich aber davor, Panik zu machen. Auch der Nord-Ostdeutsche Fußball-Verband (NOFV) sprach sich gegen Gewalt in den Stadien aus und versprach, mit Funktionären und Fan- Vertretern beider Vereine Gespräche zu führen, um das Spiel ordnungsgemäß durchzuführen und vorzubereiten. Vorgesehen seien unter anderem verstärkte Ordnerdienste und eine Ansprache beider Kapitäne an die Zuschauer. Beschwichtigend äußerte sich auch der Geschäftsführer des FC Berlin, Dieter Fuchs. Er hat angekündigt, sich zusammen mit Vertretern von Türkiyemspor und der Polizei am nächsten Mittwoch zu einem Runden Tisch zu treffen.

Für Türkiyem-Fan Andreas Joerdens sind die Reaktionen der Offiziellen allerdings Lippenbekenntnisse. „Bereits nach der Randale der FC-Berlin-Fans im Hinspiel“, ärgert er sich, „hat der NOFV aufgerufen, sich in Zukunft Gedanken zu machen.“ Passiert sei allerdings nichts, sagt Joerdens. Mit ganz wenigen Ausnahmen gebe es in den neuen Bundesländern keinen Verein, der rassistische und gewalttätige Hooligans mit Stadionverbot belege. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen