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Fels in der kapitalistischen Brandung

Der Karl-Liebknecht-Gedenkstein, Berlins einziges „Antikriegsdenkmal“, steht dem Bürohaus von Asea Brown Boveri im Weg / Denkmalschützer Elfert fordert den Erhalt des Steins  ■ Von Rolf Lautenschläger

Ins Abseits geratene Gedenkorte teilen ihr Schicksal mit dem alter Fotos. Sie verbleichen und werden vergessen. Zur Schleifung ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Berlins einzigem Antikriegsdenkmal, dem Karl-Liebknecht-Grundstein am Potsdamer Platz, droht ein solch klagloser Abriß. Der mächtige dunkle Steinquader am U-Bahnhof Potsdamer Platz war 1951 von DDR-Ministerpräsident Grotewohl enthüllt worden, damit er anläßlich des 80. Geburtstages des Arbeiterführers an dessen Aufruf gegen den Krieg 1916 erinnere. Seit 1989 verwittert der windschiefe Stein hinter einem Bauzaun und steht nun dem Bürohaus von Asea Brown Boveri (ABB) im Wege.

Für den in der Öffentlichkeit fast unbekannten Gedenkstein könnte es „eng“ werden. ABB will noch in dieser Woche mit „bauvorbereitenden Bohrungen“ beginnen. Das Unternehmen könnte die Abräumung des 1,70 Meter hohen Quaders veranlassen, fehlt doch dem Grundstein der Denkmalschutz. Die von ABB mit der Bauausführung beauftragte Roland Ernst Städtebau GmbH läßt keinen Zweifel daran, das „häßliche Ding, wenn es im Wege ist“, abzureißen, so Projektleiter Sommer.

Der Grundstein und die Bedeutung des Ortes, so der Kunsthistoriker Eberhard Elfert, sollten durch die geplanten Baumaßnahmen nicht der Vergessenheit anheimfallen. Es sei zwar klar, daß der Stein dem Neubau weichen müsse. Um den Grundstein aber vor der Zerstörung zu bewahren, fordert Elfert von der Baudenkmalpflege, noch in dieser Woche zu prüfen, „ob es sich bei dem Quader um ein Denkmal handelt“. Sollte keine Unterschutzstellung erfolgen, dürfe der Stein jedoch auch nicht abgerissen werden, „da ihm eine historische Bedeutung zukommt“. Elferts Vorschlag: Der Senat als Eigentümer des Steins könne den Block zerlegen und diesen nach dem Ende der ABB-Baumaßnahmen im nahen Park wieder aufstellen. Möglich sei auch die Einlagerung des Quaders in das Denkmaldepot.

Für Elfert und andere Denkmalschützer ist der Liebknecht- Grundstein so interessant, weil er „als einziges Antikriegsdenkmal in Berlin“ zugleich den spezifischen Charakter der politischen Denkmäler der DDR der fünfziger Jahre verkörpert. Am 1. Mai 1916 hatte Karl Liebknecht am Potsdamer Platz zur Beendigung des Ersten Weltkriegs aufgerufen und die Reichsregierung als kapitalistische Kriegsgewinnler beschimpft. Liebknecht wurde verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Um dem Politiker am authentischen Ort ein Denkmal zu setzen, ließ der Ostberliner Magistrat 1951 den Sandsteinblock mit Inschrift aufstellen: „Grundstein eines Denkmals für Karl-Liebknecht 1871-1919. Von dieser Stelle aus rief Liebknecht am 1. Mai 1916 zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg und für den Frieden auf.“ Eine Skulptur war für den „Sockel“ nicht vorgesehen. Am Potsdamer Platz, der Schnittstelle zwischen Ost- und Westberlin, diente der dicke Brocken vielmehr als steinernes Zeugnis politischer Propaganda. Elfert: „Ein Fels in der kapitalstischen Brandung.“ Nach dem Mauerbau geriet der Block zum absurden Zeichen. Zwischen der inneren und äußeren Mauer gelegen, führte er ab 1961 auf dem freigeharkten Todesstreifen sein einsames Dasein. Erst 1989 war der Ort wieder frei zugänglich.

Ob es gelingt, den Quader zu bewahren, ist fraglich. Wenig Chancen für eine Unterschutzstellung sehen Horst Giese, Mitglied der Denkmalkommission Berlin- Mitte, und die PDS-Landtagsabgeordnete Sigrun Steinborn. Während Giese dem „komischen Sockel“ keinen großen Wert zubilligt, aber für eine „Ehrung Liebknechts an dieser Stelle“ plädiert, hofft Steinborn darauf, den vergessenen Liebknecht mittels einer Gedenktafel in der Erinnerung erhalten zu können. Auf Anfrage ließ Sommer offen, ob nach der Fertigstellung des ABB-Hauses eine Gedenktafel an die Antikriegsrede erinnern könnte. Für Elfert ist eine Gedenktafel freilich zu wenig. Der Grundstein müsse „wo auch immer“ aufbewahrt werden, weil er ein Zeugnis der unterschiedlichen „Ost- und Westberliner Denkmaltopographie“ sei.

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