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Parkplatz im Klimawechsel

■ Anwohnerprotest gegen die Bebauung Wielandstraße/Leibnizstraße / Neues Öko-Gutachten sticht altes aus: für Beton / Grüne fordern Abwahl des Baustadtrats

„Grün statt Beton“ lautet die Devise der Bewohner am Parkplatz Wielandstraße/Leibnizstraße. Selbst gestern, einen Tag nach der Beendigung des Bebauungsplanverfahrens für das Parkplatz-Karrée, suchten die Mitglieder der „Nachbarschaftsinitiative“ gegen das „klotzige Mammutprojekt“ nach Möglichkeiten des Protests. „Wir fordern die Verlängerung des gesetzlichen Einspruchverfahrens, damit noch mehr Bewohner ihre berechtigte Kritik beim Bezirksamt einreichen können“, sagte die Anwohnerin Barbara Westarp. Nur so könne das Hochhausprojekt auf dem Freiraum zwischen Wieland- und Leibnizstraße gekippt und dort eine öffentliche Grünfläche gestaltet werden.

Auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Areal sind zwei hohe zehnstöckige Kopfbauten an der Leibnizstraße geplant, gefolgt von sich gegenüberliegenden Gebäuden entlang der beiden Brandmauern. Zwischen den Blöcken haben die Architekten Hans Kollhoff und Helga Timmermann einen „steinernen Stadtplatz“ vorgesehen. Rund 120 Wohnungen sollen entstehen, außerdem Büros, ein Hotel, eine Kindertagesstätte sowie zwei Tiefgaragen. Kollhoff/Timmermann hatten das Projekt mit einem Bauwettbewerb gewonnen. Bauherren sind der Bezirk Charlottenburg und die Hanseatica.

Die Bürgerinitiative ist besonders durch die Tatsache verstimmt, daß ein erst jetzt aufgetauchtes Gutachten aus dem Jahre 1984 bei der Planung vom Charlottenburger Bezirksamt nicht berücksichtigt wurde. Das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegebene „stadtklimatische Gutachten“ hält aus klimatologischen und lufthygienischen Gründen die Errichtung von Gebäuden auf dem Parkplatz für abträglich und fordert, den Ort in der dichtbebauten Innenstadt zu begrünen.

Aus diesem Grunde votierten noch Anfang März 1995 die Charlottenburger FDP und die Bündnisgrünen gegen das Projekt. Die SPD hielt dagegen, die CDU übte sich in Stimmenthaltung. Westarp: „Trotzdem wurde erreicht, daß der Bezirk nun ein neues ökologisches Gutachten zur Verschattung, Luft- und Lärmbelästigung erstellen muß. Das könnte die Bezirksversammlung drängen, die Planung insgesamt zu ändern.“

Das neue Gutachten liegt inzwischen auf dem Tisch von Charlottenburgs Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD), der sich für den Kollhoff-Entwurf stark macht. „Die Expertise gibt, grob gesagt, Entwarnung“, so Dyckhoff zur taz. Die „klimatologischen Bedingungen“ hätten sich geändert, außerdem würden die Baumassen begrünt, fernbeheizt und auf dem Platz ein Brunnen installiert. Dyckhoff räumte ein, daß die Verschattung „noch Thema“ sei. Für die Bündnisgrünen sind das nur faule Ausreden. Ihre Fraktion in der BVV forderte gestern die Abwahl des Baustadtrats. Rolf Lautenschläger

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