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„Ein neuer Krieg würde uns nur zurückwerfen“

■ Die wiedergeöffnete Autobahn von Zagreb nach Süden und andere Erfolge der UNO werden durch die Veränderung des Mandats in Kroatien aufs Spiel gesetzt

„Die Eröffnung der Autobahn ist sicher einer der größten Erfolge der UNO-Politik in Kroatien“, hatte Michael Williams, der Sprecher der Unprofor in Kroatien, auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Zagreb erklärt. Und tatsächlich ist vieles leichter geworden, seit am 21. Dezember die Autobahn von Zagreb in Richtung Süden wieder geöffnet wurde. Vor dem Krieg war sie die wichtigste Straßenverbindung auf dem Balkan, nicht nur Bindeglied der Millionenstädte Zagreb und Belgrad, sondern auch zwischen Westeuropa und der Türkei. Mit Beginn des Krieges wurde die Verbindung 1991 einfach unterbrochen, die Grenze zu Serbien wurde gesperrt, die Autokolonnen von und nach der Türkei mußten über Ungarn und Rumänien neue Wege suchen.

Jetzt kann zumindest der kroatische Verkehr endlich wieder durch Slawonien rollen, und wer über die nötigen Papiere verfügt, darf seither sogar von Zagreb nach Belgrad fahren. Das Wichtigste daran: Die Bevölkerung in der serbisch besetzten Zone Kroatiens in Westslawonien kann über die Autobahn kroatisches Gebiet erreichen.

An einer Tankstelle bei Lupina stehen sie, die Autos mit dem Kennzeichen OC (für Okucani) und dem YU für Jugoslawien. Etwas unsicher wirken die serbischen Fahrer noch, die hier unter der Flagge Kroatiens Benzin in ihre Autos und die mitgebrachten Kanister füllen. An der Raststätte gibt es eine Wechselstube, in der die mitgebrachten D-Mark-Scheine in die kroatische Währung Kuna umgetauscht werden. Schmunzelnd blickt ein kroatischer Polizist auf dieses Treiben. „Die Serben benutzen anstandslos unsere Währung, obwohl sie von den serbischen Politikern als Ustascha-Geld beschimpft wird.“ In einem Laden wird eingekauft; von Südfrüchten bis Zigaretten, von Schokolade bis Wurst, alles findet reißenden Absatz. Und an einer Ecke liegen sich Angehörige in den Armen, die sich seit Jahren nicht gesehen haben, weil sie beiderseits der Demarkationslinie wohnen.

Es wird aufgebaut. Das Wirtschaftsabkommen, das die sogenannte Serbische Republik Krajina, also die serbisch besetzte Zone Kroatiens, und die kroatische Regierung unter UN-Vermittlung ausgehandelt haben, umschließt die Reparatur des Wasserkraftwerks Obrovac, dessen Strom der serbischen Bevölkerung zugute kommen wird, wie auch die Öffnung einer für die kroatischen Raffinerien wichtigen Pipeline, die von der Küste aus auch durch serbisch besetztes Gebiet verläuft.

Sollen diese Erfolge nun durch den kroatischen Druck zur Veränderung des UNO-Mandats aufs Spiel gesetzt werden, wird es gar wieder zum Krieg kommen? Der kroatische Tankwart antwortet: „Die Serben sollen sich entscheiden: Wollen sie Großserbien oder friedlich in Kroatien leben? Wenn ich auf die andere Seite gehe, werde ich ins Gefängnis gesteckt oder sogar umgebracht.“ Einige der serbischen Fahrer schütteln den Kopf, einer murmelt: „Warum wolltet ihr denn aus Jugoslawien heraus?“ Als ein kroatischer Polizist auftaucht, beruhigen sich die Gemüter wieder.

Für den liberalen Bürgermeister der kroatisch kontrollierten Stadt Osijek, Zlatko Kramaric, gibt es keine Alternative zur Reintegration der Serben in Kroatien. „Ein neuer Krieg würde uns nur wieder zurückwerfen, wir brauchen Investitionen und Prosperität, dann werden sich die kroatischen Serben von selbst für Kroatien entscheiden.“

An der Demarkationslinie am Rand der Autobahn stehen kroatische Soldaten. „Wenn die UNO das Mandat verändert und die Serben drüben nach Kroatien zurückkommen, gibt es keine Probleme. Wenn nicht, sind wir in der Lage, die Stadt Vukovar in 24 Stunden zu erobern“, erklären sie selbstbewußt. „Wir wollen keinen Krieg. Aber wir sind bereit, zu kämpfen.“ Ein Schützenpanzer der russischen UNO-Truppen donnert vorbei, hin zu den Stellungen der Unprofor zwischen den Linien der verfeindeten Parteien.

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