■ Mit Kohlendioxid-Zahlen auf du und du: Kohl vor der Hürde
Berlin (taz) – Helmut Kohl erntet auch von Umweltschützern Komplimente für seine Ankündigungen auf dem Berliner Klimagipfel. Bis zum Jahr 2005 will er in Deutschland die Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent senken – und zwar auf der Basis von 1990. Vor drei Jahren in Rio hatte er noch die Werte von 1987 zugrundegelegt. Der Kanzler behauptet, er habe die Hürde noch einmal höher gelegt. Damit hat der deutsche Kanzler tatsächlich recht. Denn nach seinem Plan dürften in zehn Jahren nur noch 773 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland in die Luft geblasen werden. Nach der alten Rechnung wären es 40 Millionen Tonnen mehr gewesen.
Viele bezweifeln allerdings, daß Kohl der Sprung gelingt. Zwar sind von 1990 bis 1993 die CO2-Emissionen in Deutschland tatsächlich um knapp zehn Prozent auf 928 Millionen Tonnen zurückgegangen; allerdings ist das vollständig auf den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie zurückzuführen. 40 Prozent Minderung in den neuen Ländern steht ein Zuwachs von drei Prozent im alten Bundesgebiet gegenüber. Da im Osten nichts mehr zusammenbrechen kann, muß es jetzt mit realen Einsparungen losgehen.
Die Selbstverpflichtung der Industrie zu einer CO2-Minderung von „bis zu zwanzig Prozent“ ist dafür kein geeignetes Mittel. Denn sie ist nicht nur vage formuliert und unverbindlich, sondern auch lediglich auf das einzelne Produkt und nicht die gesamte Produktion bezogen. Stellt die Industrie also mit der gleichen Energiemenge statt vier künftig fünf Eimer, Autos und Maschinen her, hat sie die Selbstverpflichtung erfüllt. Der CO2-Ausstoß aber ist gleich geblieben. Und auch die relativ konstanten Emissionen des Straßenverkehrs im Westen und der Zuwachs im Osten lassen nicht auf einen realen Rückgang hoffen, auch wenn das einzelne Auto sauberer geworden ist. Etwa fünf Prozent der klimarelevanten Emissionen kommen aus Deutschland, mehr als elf Tonnen pro Nase. Die US- Amerikaner sind für jeweils 21 Tonnen verantwortlich und damit insgesamt für ein Viertel des weltweiten Ausstoßes. Da die Wissenschaftler davon ausgehen, daß bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts die absolute CO2-Menge halbiert sein muß, wenn das Klima keinen Schaden nehmen soll, darf der Durchschnittswert pro Kopf dann höchstens noch bei zwei Tonnen liegen – und das auch nur, wenn die Bevölkerung konstant bliebe. Kurzum: Kohl muß den schönen Worten große Taten folgen lassen, wenn er tatsächlich, wie die FAZ argwöhnt, als Umweltschützer und nicht als Schwätzer in die Geschichte eingehen will. Annette Jensen
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