: Trecker rotten sich zusammen
Der Polizeieinsatz am Tag X soll die Bannmeile um die Transportstrecken des Castors durchsetzen: Bei Gusborn hui, bei Pudripp pfui ■ Aus Dannenberg Jürgen Voges
Dicht aneinander stehen die zwölf Traktoren mit den mannshohen Rädern in Groß Gusborn auf der Straße. Eine Kette von Schutzpolizisten hat sie umringt, und über Laustsprecher verlangt ein Einsatzleiter die „Räumung der Strecke“. Doch die Fahrersitze der Zugmaschinen sind leer. Unter Einsatz des Knüppels läßt die Polizei erst mal niemanden an sie heran, auch die dazugehörigen Bauern nicht. Das Wendland- Dörfchen Groß Gusborn liegt acht Kilometer von der Castor-Verladestation am Dannenberger Ostbahnhof – natürlich in Richtung Gorleben. Wenn der Behälter mit den neun hochradioaktiven Brennelementen morgen planmäßig um 10 Uhr den Dannenberger Bahnhof erreichen sollte, wenn er denn per Kran trotz Protest von der Schiene auf einen Schwertransporter gehievt worden ist, soll er auch hier vorbeikommen.
Ein Stück weiter in Richtung Gorleben hat die bäuerliche Notgemeinschaft an diesem späten Sonntagabend, in der Nacht vor dem Tag X, noch andere Trecker quer gestellt. In Groß Gusborn sammeln sich nach und nach einige hundert AKW-Gegner, teils Jugendliche aus dem Dannenberger „Verladenix“-Camp, das allen Bemühungen der Polizei zum Trotz immer noch existiert, teils altbekannte BI-AktivistInnen, aber auch AnwohnerInnen stehen mit ihnen auf der Straße und keineswegs nur zum Glotzen. Eine weißgelockte alte Frau redet auf die Polizei ein: „Was dieser eine Castor für ein Geld verschlingt! Hoffentlich ist der Staat bald pleite. Dann sind wir das Zeug endlich los.“
Vor der Polizeikette beginnen dann Junge und Alte sich auf die Straße zu setzen; sie werden von der Polizei weggezerrt. Die Polizei ist gar nicht mehr zimperlich. „An dem Trecker DAN-X 4684 hängen keine Schlüssel. Wir müssen das Fahrzeug mit Gewalt abschleppen. Für Schäden sind Sie selbst verantwortlich“, tönt es dann über Lautsprecher.
Einen Polizeieinsatz, „der Störungen schon im Vorfeld verhindert“ und das Versammlunsgverbot an den Castor-Strecken konsequent durchsetzt, hat Ulrich Deutert, der Leiter des gesamten Polizeieinsatzes, gestern für die Transportnacht angekündigt. Doch dabei sei „Besonnenheit für die Polizei absolutes Gebot“. Bei den Beamten vor Ort allerdings hatte diese Tugend schon am Sonntag der Konfusion Platz machen müssen. In Dannenberg etwa konnten sich mehrere Hundertschaften, die sich 1.000 vor allem jungen AKW- Gegnern gegenübersahen, den halben Tag lang nicht entscheiden, ob das Widerstandscamp „Verladenix“ nun zu räumen sei. Am Nachmittag zog die Polizei dann in das Camp, kesselte ein halbes Dutzend AKW-Gegner ein und nahm sie fest. Zog ab, kam wieder. Schließlich zersägte ein „Technischer Zug“ aus Braunschweig unter starkem Kollegenschutz vier Holzhütten. Die Zelte durften auf der Wiese bleiben. Schließlich gehört die Wiese zu großen Teilen der Stadt Dannenberg. Deren Bürgermeister Bernard Fathmann hat „nichts gegen das Camp, aber viel gegen den Castor“.
Natürlich wurden auch gestern wieder am Dannenberger Ostbahnhof Gleise besetzt und wieder geräumt. In der Nacht hatten Unbekannte bei Pudripp die Bahnstrecke Uelzen–Dannenberg unterhöhlt und Schwellen zersägt. Auch die Bauern bei Groß Gusborn bekamen schließlich die Trecker zurück, die sie ja für die Nacht auf heute wieder brauchten. Polizeiliche Voraussetzung für die Rückgabe: Personalienfeststellung, Kurzvideo und mehrere Fotos des Bauern auf dem Fahrersitz. Danach zogen sich die Landwirte zur Beratung in eine Scheune zurück.
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