■ Standbild: Poetische Erregung
„Nächste Woche ist Frieden“, Dienstag, 21.15 Uhr, Sat.1
„Sieg oder Sibirien“ steht in fein säuberlich gemalten Propagandalettern weiß auf grauer Hauswand. Dann kommt Farbe ins Bild. Beim Bäcker in der Warteschlange Kieztratsch, die sprachbegabte Kreditabteilungsleiterin (Rita Russek) lernt vorausschauend schon einmal Russisch. – Die rote Armee steht 15 Kilometer vor der Stadt. Ein paar Straßen weiter wird ein Versorgungslager geplündert, die Ordnungsmacht tritt in Gestalt eines parolenfesten, aber bereits verunsicherten Blockwarts auf. Der Redakteur Pieritz (Ulrich Mühe) vom Großdeutschen Rundfunk nimmt ungerührt die Weisung entgegen, seine Sendungen fortan unterhaltsamer zu gestalten: „Deutschland lacht.“ Auf Magdalene reimt sich Bombenterror und Hygiene. War es so in den letzten Tages des belagerten Berlin? Sollte man die weiße Fahne hissen oder lieber noch warten? „Die Erregung wächst“, heißt es in einem Tagebuchausriß der Hertha von G. „Zwar äußerlich im Stadtbild wenig Veränderung zu spüren. Jeder ist nach außen hin still und gefaßt. Aber die fremdesten Menschen haben plötzlich das Bedürfnis, einander anzusprechen.“
In seiner sorgfältigen Regiearbeit verdichtet Peter Schulze- Rohr nach einem Buch von Peter Steinbach diese Stimmung. In Momenten ist das Leben prall wie in einem Fellini-Film. Zwischen Kohlenstaub und Dreck erhaschen Jungen den Anblick eines nackten Busens. Kurz zuvor brachte ein Granatsplitter einer Krankenschwester den Tod. Der Redakteur und seine Nachbarin verstecken, so will es die Dramaturgie der Rahmenerzählung, die Jüdin Ruthi, die sie mit der Wohnung von den umgekommenen Vermietern gewissermaßen übernommen haben.
„Nächste Woche ist Frieden“ ist kein Film über gute Deutsche, böse Deutsche, Befreiung oder Kapitulation. Wirklichkeitsfetzen und Klischees werden mit Erinnerungsbildern zusammengeschnitten. Selbst die Wochenschauausschnitte funktionieren nicht als „So war es“-Bilder. Schulze-Rohr interessieren die Augenblicke der Irritation. Aber Rita Russek schreitet ein wenig zu elegant durch diese wirren Tage, bleibt erstaunlich gelassen, nachdem ein geifernder Sowjetsoldat sie vergewaltigt hat. Mühe ist noch in dramatischen Momenten poetisch verträumt. Für richtiges oder falsches Verhalten waren die Regieanweisungen ausgefallen. Harry Nutt
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