: Die Schiiten warten auf die Bombe
■ Mit den Gaszentrifugen könnte der Iran theoretisch eine Uranbombe bauen / Ob die Ayatollahs wollen, ist unklar
„Wenn ich die gleichen Nachbarn hätte wie der Iran, wäre ich an Atomwaffen interessiert“, sagte diese Woche ein westlicher Diplomat in Teheran. Doch ob die Machthaber im Iran wirklich an einer islamischen Bombe basteln lassen, bleibt umstritten. Sie besitzen nur kleine Forschungsreaktoren in Isfahan und an der Teheraner Universität. Die beiden großen 1.300-Megawatt-Reaktoren von Siemens-KWU im südlichen Buschir stehen nur im Rohbau und enthalten keinen nuklearen Brennstoff.
Nun sollen die Russen das Werk von Siemens vollenden. Die beiden Kolosse sind sogenannte Leichtwasserreaktoren, das heißt, sie werden mit normalem Wasser gekühlt. Für den Bombenbau haben sie einen gravierenden Nachteil: „Brennelemente mit waffenfähigem Plutonium können nur entnommen werden, wenn der Reaktor stillsteht“, sagt Martin Kalinowski von der Dortmunder Wissenschaftler-Gruppe IANUS. „Das kriegen internationale Inspektoren auf jeden Fall mit.“ Da der Iran alle bekannten Anlagen von internationalen Experten überprüfen läßt, könnte das Land kaum unbemerkt den Bombenstoff abzweigen.
Große Aufregung rief deshalb die Ankündigung hervor, daß Rußland auch eine Gaszentrifugen-Urananreicherungsanlage an Teheran liefert. Wie die Wäsche in einer Schleuder, jedoch mit einigen tausend Umdrehungen pro Minute, wird gasförmiges Uran darin an die durchlässigen Wände der Zentrifugen gedrückt. Dabei wird das schwere, nutzlose Uran 238 nach außen gedrückt, das bombenfähige Uran 235 bleibt in einer höheren Konzentration zurück. Diese Maschinen können sowohl Brennstoffe für Reaktoren als auch – nach einer größeren Zahl von Durchläufen – für Bomben herstellen.
Das Gefährliche dabei ist, daß der Iran in der Provinz Yazd eigene Uranvorkommen abbaut. Für eine Uranbombe ist im Gegensatz zu Plutonium keine Wiederaufarbeitungsanlage nötig. Eine Anreicherungsanlage und hervorragende Kenntnisse in der Spreng- und Werkstoffkunde genügen. „Wenn ein Staat schon eine Zentrifugenanlage für zivile Zwecke benutzt, kann er eine Kopie davon aufbauen, die nicht kontrolliert wird“, fürchtet Martin Kalinowski von IANUS.
Eine Uranbombe ist klobiger als eine mit Plutonium, sie wiegt bis zu einer halben Tonne. Trotzdem kann sie ein Bomber oder eine Rakete leicht an den Einsatzort tragen. Der Iran besitzt laut der Zeitung Tokio Shinbun 150 Mittelstreckenraketen „Rodong“. Diese nordkoreanische Weiterentwicklung der Scud-C-Rakete hat eine Reichweite von über 1.000 Kilometer und kann damit auch Israel treffen. Auch die Chinesen helfen nach westlichen Angaben mit ihrer vergleichbaren M-11.
„Bis jetzt hat der Iran ein Atombombenprogramm immer bestritten“, sagt Eric Ernette vom Friedensforschungs-Institut SIPRI in Stockholm. Doch einige Forscher arbeiten an den Grundlagen, unterstützt von Chinesen und Nordkoreanern. „Mit den neuen Verträgen kaufen sich die Iraner in das russische Nuklearnetz ein, das ist eine Gefahr“, so Ernette.
Weil der Iran noch keine militärischen Atomanlagen aufgebaut hat, gibt es derzeit noch nichts zu überprüfen. Daher auch der Wille in Teheran, alle Anlagen inspizieren zu lassen, so Ernette. Selbst wenn der Iran sein Atomprogramm forcierte, würde es nach Einschätzung der meisten Experten noch acht bis zehn Jahre dauern, bis der Iran eine Bombe hätte. Reiner Metzger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen