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Hören in der dritten Dimension

■ Geräusche über Geräusche. Sie desensibilisieren und manipulieren uns. Das Festival "KlangumWelten" in der Akademie der Künste stellt die Wissenschaft der "akustischen Ökologie" vor

Unsere Umwelt klingt. Ein Schritt vor die Haustür macht jede theoretische Begründung überflüssig. Aber: Wie klingt unsere Umwelt eigentlich? Seit Jahren vermißt Evelyn Hansen vom Musikreferat der Akademie der Künste eine öffentliche Diskussion über dieses Thema. Jetzt hat sie ein Symposium initiiert, das sich mit der „akustischen Ökologie“ beschäftigen wird. Begleitend gibt es ein Festival, dessen Programm die Radioautorin Sabine Breitsameter zusammengestellt hat. Internationale AudiokünstlerInnen, WissenschaftlerInnen, PhilosophInnen und StadtplanerInnen wurden nach Berlin geholt – alles Menschen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie sich die Umwelt anhört, wie wir über diese Klänge kommunizieren, wie wir sie beeinflussen können. Eine brandaktuelle wissenschaftliche Disziplin stellt ihr Beschäftigungsfeld in den nächsten Tagen auch der Öffentlichkeit vor, in Form von Klang- Workshops, Hör-Spaziergängen und Konzerten.

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taz: Unsere Gesellschaft scheint für die Klänge ihrer Umwelt taub zu sein. Will die Veranstaltung aufrütteln, ehe alles zu spät ist?

Sabine Breitsameter: Ich denke, daß die Thematik immer mehr Interessenten anziehen wird. Die meisten von uns sind ja unzufrieden mit ihrer akustischen Umgebung und versuchen, das in irgendeiner Form zu verarbeiten. Aber bisher gab es für sie ja kein Forum. Unser Symposium will jetzt erst einmal zeigen, wer sich auf der Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln seit vielen Jahren professionell mit Aspekten der Klangumwelt beschäftigt. Wir haben zum Beispiel Sabina Manassi eingeladen, eine Audio-Psycho-Phonologin. Oder renommierte Künstler wie Max Nehaus und Bernhard Leitner. Außerdem kommen Lärmforscher, Akustikdesigner aus der Industrie und natürlich Philosophen!

Seit wann gibt es die „akustische Ökologie“?

In Europa ist sie noch eine ganz junge Disziplin. In Kanada wurde sie Ende der sechziger Jahre von Murray Schafer begründet. Aber nach Deutschland kam sie erst durch die Übersetzung seines Buches „The Tuning of the World“. Das war Anfang der achtziger Jahre. Dann erschien hier eine Dissertation von Hans-Ulrich Werner über das Verhältnis Klang und Umwelt. Eine dritte wichtige Figur ist Justin Winkler, der Klanggeograph aus Basel, der in Vancouver am Institut von Murray Schafer promoviert hat.

Gab es in Europa schon Symposien wie dieses?

Ich glaube nicht. Auch die Weltkonferenz für akustische Ökologie in Kanada 1993 war nicht fürs Publikum, sondern eher eine Kontaktbörse für die Spezialisten. Vielleicht gab es hier und dort noch kleinere Initiativen, aber nichts Umfassendes.

Wie umfassend also wird das „KlangumWelten“-Festival sein?

Am ersten Tag werden fundamentale Dinge besprochen: „Das Ohr als Organ der Menschwerdung“. Zweiter Tag: Medien und Hören. Erst mal im Radio, dann als Filmklanglandschaften. Dann kommt die Frage, wie klingen denn andere Welten? Was gibt es etwa in Japan für eine Tradition der akustischen Gestaltung? Keiko Torigoe, Professorin in Tokio, berichtet darüber. Peter Pannke zeigt das für eine indische Kultur. Der dritte Tag gehört dann wirklich der Praxis: Siemens und ein Akustikingenieur von Mercedes. Aber damit die Praktiker nicht zu sehr an Boden gewinnen, haben wir zwei Philosophen dazwischengeschaltet: Martin Burckhardt, ein Medientheoretiker, und Holger Schenk, der über den Naturbegriff reflektiert hat.

Irgendwann könnte die Welt akustisch komplett durchgestaltet sein. Läge darin eine Gefahr?

Ja, denn ich glaube, daß eine enorme Manipulationsmöglichkeit durch Klänge besteht, und meine persönliche Frage an die Industrie wird sein, inwieweit Geräusche jetzt schon marktstrategisch genutzt werden. Man macht den Klang nicht so, wie er fürs Ohr besser oder richtiger wäre, sondern wie er noch spektakulärer, noch schlagkräftiger, stereotyper eingesetzt werden kann. Überhaupt sehen wir es auch als eine Aufgabe unserer Veranstaltung an, daß Leute zu einem viel bewußteren, kritischeren und feineren Hören angeregt werden. Gerade darum ist es uns sehr wichtig, daß wir einen guten Kontakt mit dem Publikum haben.

Wie wird es in den akustischen Workshops und bei den Hör-Spaziergängen zugehen?

Justin Winkler (Leiter der Spaziergänge, d. Red.) geht's vor allem darum, daß wir beim täglichen Gang durch die Stadt unsere Ohren nicht mehr aus Schutz verschließen. Denn so gehen auch andere wichtige Klänge flöten. Er will auf eine lockere Art „resensibilisieren“. Ganz wichtig ist auch das dreidimensionale Hören: Unsere Städte sind ja so konstruiert, daß wir nicht in die Ferne hören, und wenn unser Bewußtsein das verlernt hat, meinen wir irgendwann, das gibt es überhaupt nicht mehr. Frau Westerkamp (Workshop-Leiterin, d. Red.) konzentriert sich auf das Wechselverhältnis zwischen Umweltklang und hörendem Menschen. Jeder Mensch hat ja auch akustische Erinnerungen. Sie arbeitet mit diversen Mitteln, um den Teilnehmern klarzumachen, was ihre Hörmuster und vielleicht Defizite sind. Ihr Ziel ist allerdings, daß die Teilnehmer selbst akustisch tätig werden. Sozusagen um etwas in die Waagschale des klangökologischen Ungleichgewichts hineinzuwerfen. Interview: Gaby Hartel

Festival „KlangumWelten“, 25. bis 28.5., Akademie der Künste, Hanseatenweg, Tiergarten, Voranmeldung und Programminformationen unter Telefon 390007-78.

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