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Verhärtete Fronten

■ Streit um Verkabelung: Wohnungsbaugesellschaft läßt 26.000 Mietern in Prenzlauer Berg keine Wahl / Initiative will klagen

Der Streit um die Verkabelung von 26.000 Wohnungen in Prenzlauer Berg geht weiter. Ein Gespräch, das diese Woche zwischen der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WiP) und den aufgebrachten Mietern im Bezirksamt stattfand, verlief ergebnislos.

Im Jahr 1993 vereinbarte die WiP mit den beiden Kabelfirmen Wollny und Nehls & Schulz die Verkabelung aller 26.000 Haushalte. Pro Wohnung und Monat sollen 14,40 Mark gezahlt werden – zumindest verlangt das die WiP. Doch da in dieser Summe nicht nur die Installation und die Betriebs- und Wartungskosten für den Kabelanschluß, sondern auch die Grundgebühren der Telekom enthalten sind, lehnen es viele Mieter ab, diese Maßnahme als Modernisierung zu dulden.

Die Gründe für die Verweigerung der „Zwangsverkabelung“ sind vielfältig. Unwilligkeit machte sich vor allem bei den Mietern breit, die gar keinen Fernsehapparat besitzen und daher nicht einsehen, warum sie für etwas bezahlen sollen, was sie im Endeffekt gar nicht nutzen. Andere sind mit dem normalen Programmangebot ganz zufrieden oder befürchten, daß ihr bisheriger Fernsehempfang durch das Kabel schlechter wird. Manche schwören auf ihre Satellitenschüssel und halten dieses Vorgehen schlichtweg für Nötigung.

Protestbriefe und Forderungen nach einer Verplombung gingen bei der Wohnungsbaugesellschaft ein – doch sie antwortete nur mit Klagedrohungen. Unmut schürte zusätzlich das Vorgehen der beiden Kabelfirmen, die den Mietern, die ihnen die Tür nicht öffneten, ohne rechtliche Grundlage für Fahrtkosten und Zeitverlust Rechnungen von 79,70 Mark in Rechnung stellten.

Als sich die WiP vor zwei Monaten einer Anhörung der Mieter verweigerte, schlossen sich rund 150 Betroffene zur „Initiative kein Kabelfernsehen“ (IkK) zusammen, die sich rechtlich informiert und mit öffentlichen Aktionen auf ihr Problem aufmerksam macht. Sie fordert die in der Bundesrepublik übliche Wahlfreiheit der Mieter, ob sie einen vorhandenen Kabelanschluß nutzen oder nicht. Bei allen, die ihn nicht nutzen wollen, soll die WiP die Kosten für die Verplombung übernehmen.

Letzte Woche rief Bezirksbürgermeister Manfred Dennert (SPD) den WiP-Geschäftsführer Stefan Grzimek und die aufgebrachten Mieter zu einem klärenden Gespräch ins Bezirksamt. Doch Grzimek erklärte, seine Gesellschaft könne sich höchstens vier Prozent Verweigerer leisten, weil sonst finanzielle Verluste entstünden. Eine Umfrage, wie viele Mieter gegen die Verkabelung seien, lehnte Grzimek ab. Nur bei sozialen Härtefällen oder Blinden wolle er eine Ausnahme machen. Dafür aber sei der Sozialausschuß der WiP zuständig. „Ich muß sie leider bitten zu zahlen“, war deshalb sein letztes Wort in der Gesprächsrunde.

Den unwilligen Mietern bleibt so nur noch die Möglichkeit, zu klagen. Wer vor Beginn der Verkabelung schriftlich eine Verplombung eingefordert hat, hat vor Gericht gute Chancen. Anja Sieber

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