„Nur Munition für die Rechten!“

■ Murat Çakir, der Sprecher der Föderation der türkischen ImmigrantInnenvereine in Deutschland (GDF), über Aktionen gegen die geplante Türkenpartei in Deutschland

Am 18. Juni soll eine Türkenpartei in Deutschland gegründet werden. Die Initiatoren sind Deutsche türkischer Abstammung, ihr Sprecher ist der Frankfurter Anwalt Sedat Sezgin, der als vordringlichstes Ziel „die Schaffung eines Gegengewichts gegen allzu negative Kritik an der Türkei“ formuliert. Gegen die neue Partei laufen seit Wochen deutsche Türkenorganisationen Sturm. Am 17. Mai warnte der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir in der taz vor den Tendenzen der „völligen Selbstisolation“ unter den EinwanderInnen. Heute kündigt die GDF (Türkiyeli Göçmen Dernekleri Federasyonu), ein föderativer Zusammenschluß von türkischen MigrantInnenvereinen in der Bundesrepublik, ihre Gegenwehr an.

taz: Herr Çakir, Sie vertreten über 40 türkische Vereine und Arbeitsgemeinschaften in Deutschland. Sie halten die Idee einer Türkenpartei für die türkische Gemeinde für selbstzerstörerisch. Warum?

Murat Çakir: Wir betrachten die angekündigte Gründung dieser Türkenpartei keinesfalls als ein Spiel. Der Anspruch, eine Türkenpartei zu gründen, um die Politik von deutschen Parteien gegenüber der Türkei ins „Positive“ zu beeinflussen, ist erstens unsinnig und zweitens – selbst, wenn man es wollte – erst recht nicht auf diesem Weg zu bewerkstelligen. Wir rufen unsere Mitglieder und Freunde im Gegenteil verstärkt zum Eintritt in demokratische deutsche Parteien auf. Nirgendwo anders lassen sich MigrantInneninteressen wirklich durchsetzen. Eine deutsche Türkenpartei wäre kostenlose Munition für Rechtsradikale und blinde Rechtskonservative. Die werden sich in ihrer undemokratischen Ausgrenzungspolitik dadurch bestätigt fühlen.

Diese geplante Organisation will offenbar Geheimhaltung. Nichts Genaues weiß man nicht. Programmatik und Finanzierung: Fehlanzeige. Ist der Anwalt Sedat Sezgin nur eine Marionette?

Wenn jemand nicht sagen will, wer hinter seiner Partei steht und welche Programmatik diese vertreten will, ist das schon bezeichnend genug. Wenn einer aber immer wieder betonen muß, daß die Strukturen und Ziele der angestrebten Türkenpartei „100 Prozent demokratisch“ sein werden, dann hat er für mich ein Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wir wissen auch nicht, welche Organisationen diesen Sedat Sezgin und seine Freunde unterstützen. Ich will auch keine falschen Behauptungen in die Welt setzen. Fakt ist aber, daß dieser Mann in den türkischen Zeitungen mit der Aussage zitiert wird, daß sich die neue Partei gegen Landsleute wehren wolle, die vom deutschen Staat bezahlt seien und ihm „im Namen der Menschenrechte in den Hintern kriechen“. Wer als Türke oder Eingebürgerter für Demokratie und Menschenrechte in der Türkei eintritt, wird von diesen Herren eindeutig diskreditiert. Sie profilieren sich schon jetzt als inoffizielle Botschaft Ankaras.

Übertreiben Sie nicht?

Nein. Lesen Sie bei Hürriyet oder Milliyet nach! Da sind die Aussagen drin, die in den letzten Monaten nur von seiten der offiziellen türkischen Institutionen zu hören waren. Die Leute, die Kritik an der gesamten politischen Entwicklung der Türkei ausüben, die gegen den Krieg sind, die für eine demokratischere Staatsform sind, bezeichnet man dort als „Anhänger von vom Ausland gesteuerten Separatisten“. Was die Herren vertreten, ist dieselbe Terminologie der türkischen Machthaber. Und das halte ich für ein skandalöses Ding. Wir lassen es nicht zu, daß diese Partei im Namen aller zwei Millionen Türken und Türkinnen in Deutschland auftritt.

Kann die GDF bei dieser nationalistischen Stimmungsmache überhaupt gegenhalten?

Am liebsten würden wir uns in das Gründungsvolk der neuen Türkenpartei mischen und beim Versammlungstag als Enthüller fungieren, damit es gar nicht zu der Verwirklichung dieses fatalen Projekts kommt. Aber in der Geheimhaltung der Initiatoren dieser Türkenpartei steckt eben auch eine sehr gute Systematik. Denn sie dient unter anderem dazu, genau das zu verhindern. Auch andere türkische Organisationen sind gegen die gefährliche Denkart dieser Leute. Wir wollen gegen sie vorgehen: mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und nach Bildung der Partei mit zahlreichen Medieninitiativen. Die Gründer sollen kein leichtes Manipulationsspiel haben. Franco Foraci