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Nachschlag

■ Karikaturen von Hayati Boyacioglu im Rathaus Marzahn

„Wenn ich heute 15 wäre, wäre ich bestimmt jetzt ein Graffiti- Sprayer.“ Aber Hayati Boyacioglu ist 35 und Karikaturist. Geprägt von den politischen Wirren Mitte der siebziger Jahre in der Türkei, kritzelte er als 15jähriger erste Zeichnungen aufs Papier, und von dieser Leidenschaft ist er nicht mehr losgekommen. Mittlerweile lebt er 17 Jahre in Berlin, schreibt auch Theaterstücke („Kanaken sind Supermänner“) und Reportagen und ist durch und durch „verkreuzbergt“. Verkreuzbergt zu sein heißt: in einem multikulturellen Bezirk zu leben. Das ist sein Thema als Künstler. Menschliche Beziehungen stehen im Mittelpunkt von Hayatis Zeichnungen, er überspitzt und verfremdet die Widersprüche einer multikulturell-multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft. Ein Bild zeigt einen bärtigen Muslim beim Gebet, während er sich gerade darauf vorbereitet, statt einem Schaf ein Schwein zu schlachten.

Vor einem halben Jahr veröffentlichte Hayati sein erstes Album mit dem Titel „integrationale begegnungen“. Integrational verbindet „Integration“ und „national“, und auf einer Karikatur tanzen etwa eine verschleierte Frau und ein Punker Arm in Arm vor der Berliner Mauer – sie dreht die Augen nach oben. Diese und weitere Zeichnungen von Hayati sind derzeit im Rathaus Marzahn zu sehen – ein Versuch, „Kreuzberg“ auch in den Ostteil der Stadt zu tragen. Dabei haben die integrationalen Begegnungen dort schon längst begonnen. Zu seiner Überraschung konnte Hayati beim Ausstellungsaufbau beobachten, wie Berliner Männer aus der Türkei mit Marzahner Frauen durchs Rathausfoyer zum Standesamt schritten. Halil Can

Aus: „integrationale begegnungen“ Abbildung: Die Brücke

Bis 9.6., Rathaus Marzahn, Foyer, Helene-Weigel-Platz 8

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