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Kunstquartier VenedigEin Wettstreit der Kuratoren

■ Schweres Los der Moderne: Venedig feiert seine 46. Biennale der Kunst

Alle fahren trotzdem wieder hin. Gleich zum Amtsantritt hatte Jean Clair, Leiter des Pariser Picasso-Museums und neuer Direktor der 46. Biennale in Venedig, die Anfang der achtziger Jahre alternativ eingerichtete „Aperto“- Schau mit zeitgenössischer Kunst abgeschafft, weil diese ihm nur mehr als eine öde Ansammlung der üblichen Kunstmessen-Kojen mit gängiger Marktware vorkam. Also gibt es in diesem Jahr weder zerlegte Kühe zu sehen noch bunte Posterwände voll Gemächte und Geschlechter.

„Jetzt erst recht“, scheint seit dem barschen Entschluß von Clair so ein bißchen als Motto über der diesjährigen Veranstaltung zu schweben.

Das gilt für Freunde wie Feinde der Neuordnung rund um die Giardini: Hinter dem gestrengen Herrn Direktor haben sich immerhin nicht minder ehrwürdige KunsthistorikerInnen wie Gabriella Belli, Giulio Macchi oder Hans Belting versammelt, um zum hundertsten Geburtstag der Prestige-Ausstellung zu beweisen, daß sich die große Kunst des 20. Jahrhunderts keineswegs vom Markt dirigieren läßt.

Der Rest dagegen, vom Junggaleristen bis zum zielstrebigen Kunstvereinsmanager, geht gar nicht erst über das schwere Los der Moderne, sondern benutzt gleich das Internet. Während eine offizielle Sonderschau unter dem seins-besorgten Sammelbegriff „Identität und Andersheit“ zum Jubiläum das mühsam, und manchmal nur unter Schmerzen gewandelte Menschenbild rekonstruiert – Marmor, Stein und Liebesleid bei Rodin neben farblich interessant verschmorten Portraitleichen des New Yorker Fotografen Andres Serrano –, versuchen unzählige Satelliten- Shows zu zeigen, daß das Medium eben doch die liebgewonnene Massage ist.

„Campo 95“, ein Alleingang des Kurators Francesco Bonami, präsentiert Teenage-Pop von Wolfgang Tillmans, Art Club 2000 oder der bikenden Dyke-Queen Cathy Opie; mit „Transculture“ der Fondazione Levi sollen in einem Palazzo nahe dem Markus-Platz „die Freuden und Leiden transkultureller Kommunikation in einer postkolonialen, postmodernen Welt“ untersucht werden – dort hängen dann verschleierte muslimische Frauenaufnahmen zusammen mit japanischen Cyberspacemodellen in einer Reihe; und Berlin hat einen Techno-Club eingerichtet, 72 Stunden Open House, „internationale DJs, Barbetrieb und schöne Menschen“ inklusive, wie es in der letzten Fax-Meldung heißt.

Daß beim Wettstreit der Kuratoren die traditionellen Länder- Pavillons ein wenig ins Hintertreffen geraten sind, darf man angesichts der diesjährigen Auswahl wohl als einigermaßen glückliche Fügung betrachten. Polen hat Roman Opalka eingeladen, der gewöhnlich unendliche Zahlenketten in Öl malt; aus Holland kommt Marlene Dumas, die durch depressiv grau in grau gehaltene Bilder von traurig dreinschauenden Mädchen bekannt wurde. Die USA zeigen Bill Violas sakrale Video-Installationen zu Geburt, Landschaft und Tod. Griechenland ist mit dem Holzhäuschenbauer Takis vertreten, Österreich läßt die Architektengruppe Coop Himmel(b)lau von besseren Städten träumen.

Deutschland wird von drei KünstlerInnen vertreten, die zu offensichtlich mit der Ankaufspolitik von Jean-Christophe Ammann im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt / Main übereinstimmen. Als kommissarischer Pavillon-Leiter in der Nachfolge von Klaus Bußmann stellt er Katharina Fritsch, Martin Honert und Thomas Ruff aus. Zuvor waren sie Gäste des von ihm gestalteten „Szenenwechsel“ im besagten MMK. Daß Ruff ebenso wie etwa der australische Vertreter Bill Henson oder die Schweizer Fischli und Weiss bei früheren Biennalen zur mittlerweile ungeliebten „Aperto“-Schau geladen waren, muß Clair übrigens entgangen sein.

Soweit das Trockenschwimmen, ab morgen wird vor Ort gegondelt. Harald Fricke

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