piwik no script img

„Immer auf die Kleinen“

Angestellte von Shell-Tankstellen kritisieren die Versenkung der Ölplattform, sind aber zugleich gegen den Boykott ihres Sprits / Deutscher Shell-Vorstand zeigt Verständnis für Mutterkonzern  ■ Von Jutta Geray

Die Angestellten der Berliner Shell-Tankstellen sind ratlos. Die Versenkung der Brent Spar „finde ich eine Schweinerei“, meint eine Kassiererin im Westteil Berlins. Während die Ölplattform im Schrittempo von der Nordsee an eine tiefe Stelle im Atlantik vor Schottland geschleppt wird, macht sich hierzulande der Boykott an den Tankstellen bereits deutlich bemerkbar. „Viel weniger Kunden als normal“ stellten Berliner Shell- Tankwarte fest. Nur im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg war man sich „nicht ganz sicher“, ob die Kundschaft wegen des schlechten Wetters oder wegen der Ölplattform wegblieb. Dort hielt sich das Verständnis für die „streikenden“ Kunden stark in Grenzen: „Wenn man wegen jeder Umweltverschmutzung boykottieren wollte, wo käme man dahin?“ meinte ein Mechaniker kopfschüttelnd. Schließlich gingen die Kunden auch nicht gerade pfleglich mit der Umwelt um. „Die, die jetzt meinen, boykottieren zu müssen, lassen ihre verschmutzten Kanister hinterm Tankstellenshop liegen oder erledigen ihren Ölwechsel in einer ruhigen Nebenstraße“, ärgert sich der Prenzlauer.

In Berlin-Schöneberg meinte ein Kassierer auf die Frage, was er denn von dem Boykott halte: „Immer gegen die Kleinen.“ Der Boykott richte sich als erstes gegen die Pächter der einzelnen Tankstellen, die jetzt Provisionseinbußen haben, während der Shell-Konzern die Verluste aus der Portokasse zahlen könne. Die Sprengung der Ölplattform wollte jedoch keiner der Befragten gutheißen. Grundtenor bei den Tankwarten: Verständnis für den Boykott, aber Zweifel, „ob es auch die Richtigen treffen wird“. Zugleich versuchen sie sich vehement von ihrer Mutterfirma zu distanzieren. „Wir können die ja eh nicht beeinflussen“ oder „die deutsche Shell-Tochter ist doch dagegen, was wollt ihr also?“ waren die häufigsten Antworten. Das aber stimmt so nicht mehr: Heute teilte die deutsche Shell in Hamburg mit, daß sie sich jetzt voll hinter die Entscheidung zur Versenkung der Plattform stellt — „aus sicherheitstechnischen Gründen“. Es bestünde die Gefahr, daß bei einer Verbringung an Land die Anlage in Küstennähe auseinanderbricht, meinte Pressesprecherin Bettina Kübler. Bereits beim Aufstellen der Plattform vor vielen Jahren hätten zwei Tanks geleckt. Deshalb sei eine sichere und umweltverträgliche Bergung fraglich. Der Betriebsrat aber schickte einen Brief an den deutschen Vorstand und beschwerte sich vehement über die „Negativwerbung“. Mit Nachdruck fordert er die Leute in der Chefetage auf, die Kritik an die Mutterfirma weiterzuleiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen