piwik no script img

Beste Schuhe, teerverklebt

■ Städtische Betriebe boykottieren Shell / Tankstellenpächter klagen über 50prozentigen Verlust / Konzerne schieben sich jedoch untereinander Kraftstoffe zu

Das neue „Ölcenter“ der Firma Shell war Ortwin Wolfs ganzer Stolz. Der Tankstellenpächter hatte erst vor kurzem den Öl-Zapfkasten für seine „Shell-Station“ am Osterdeich gekauft. KundInnen können sich aus dem Kasten Schmieröl in eine Kanne abzapfen und ins Auto füllen. Kein Tropfen geht verloren, keine verschmierten Blechkanister bleiben als Müll zurück. Die strengen Umweltvorschläge des Konzerns hatten dies vorgesehen. Ob es nun am Umweltimage seiner Tankstelle oder der günstigen Lage an der Durchgangsstraße liegt – seit „eineinhalb Jahren habe ich nur steigende Zahlen“.

Der Aufschwung fand vor zehn Tagen ein jähes Ende. „Ich habe kräftige Verluste“, sagt Wolf. Allein der Kraftstoffverkauf sei um 35 bis 50 Prozent zurückgegangen, das Geschäft mit Lebensmitteln, Zeitschriften und Zigaretten im „Shell-Shop“ sei um rund 20 Prozent geschrumpft. „Man müßte den Boykott doch gegen alle Tankstellen richten“, ärgert sich Wolf. Schließlich sei Shell nicht der einzige Mineralölkonzern, der von der Brent Spar profitiert habe. Auch die Esso AG ist zur Hälfte an der Plattform beteiligt. Wie von CDU Sozialexperte Rainer Eppelmann gefordert, müssten auch Esso-Tankstellen und Produkte boykottiert werden.

Volker Klein, Geschäftsführer der Shell Mineralölhandel und Heizungsdienst GmbH in Bremen, versteht den Protest nicht: „Wir stehen doch in besten Schuhen da.“ Die Shell UK habe zehn Gutachten über die Versenkung der Brent Spar erstellt. Allerdings müsse man „die Aktion stoppen und dann alles offen legen“. Zusammen mit Greenpeace und Regierungsvertretern müsse der Shell-Konzern neu verhandeln. Dann würde man sehen, daß die Shell-Lösung – die Verklappung der Plattform im Nord-Atlantik – die umweltverträglichste Möglichkeit sei.

Über die Gutachten und die Shell-Politik in Sachen Umwelt informiert Klein seine Kunden gern. „Die sind alle sehr besonnen, rufen an und wollen unsere Argumente hören“, sagt er. Daher spüre er im Geschäft „keine Auswirkungen“ der Anti-Shell Kampagne. Klein holt mit seiner Informations-Offensive nach, was die englische Konzernmutter versäumt hat.

Mittelständler Klein mag Glück haben. Auch die Zulieferer der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) bekamen bislang keine Stornos ins Haus. „Warum auch“, sagt Hajo Weil, Sprecher des Unternehmens. „Wir kaufen die Schmiermittel bei vielen Händlern nach ökonomischen Gesichtspunkten. Häufig wissen wir garnicht, welche Marke wir bekommen“. Und letzten Endes würden sich doch alle Mineralölfirmen der gleichen Quellen bedienen.

Es gebe Tauschverträge unter den Konzernen, bestätigt ein Sprecher der BP in Hamburg. In Notzeiten hält die Branche zusammen, schließlich besitzt BP die größten Öl-Felder und die meisten Bohrtürme in der Nordsee. Daher sei die Vertriebsmenge der Shell Deutschland und die Produktionsmasse der Shell-Raffinerie in Hamburg-Harburg nicht zurückgegangen, sagt Thomas Müller, Sprecher der Shell Deutschland. Immerhin hat Vorstandsvorsitzender Duncan am vergangenen Freitag Verluste von rund 25 Prozent zugegeben. An den Tankstellen.

Die Bremer Straßenbahn AG wird in Zukunft ihre Schmier- und Treibstoffe nicht mehr bei Shell kaufen – bislang einziger Lieferant. Und auch die Bremer Entsorgungs Betriebe werden ihre rund 140.000 Mark im Monat für Kraftstoffe nicht mehr bei Shell ausgeben. Angeregt dazu hatte Helga Trüpel, grüne Senatorin. In einem Brief an Duncan verurteilt sie die Praxis des Konzerns: „Die unverantwortliche Versenkung der Ölplattform durch die Shell AG ist für alle umweltpolitisch engagierten Menschen ein Schlag ins Gesicht“.

Ulrike Fokken

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen