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Uiguren gegen Atomtests

Bewohner der chinesischen Testregion demonstrieren seit Jahren / Wissenschaftler halten Lecks auf Moruroa für wahrscheinlich  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Nicht nur im Ausland, auch in der betroffenen Region selbst mehren sich die Proteste gegen die chinesischen Atomtests. Nach dem vorerst letzten Atomtest Chinas am 16. Mai marschierten 300 Uiguren aus den an das Atomtestgelände Lop Nor angrenzenden Gebieten zu dem abgesperrten Terrain. Sie forderten einen Stopp der Tests. „Hört auf, bei uns zu testen, testet im chinesischen Kernland“, hieß es auf Transparenten. Die chinesische Volksarmee habe die Demonstration aufgelöst, so Erkin Alptekin von der Ostturkestanischen Union in Europa. 30 Uiguren seien festgenommen, viele verletzt worden. Der Korrespondent der Baltimore Sun zitierte Uiguren mit den Worten: „Die Versuche sind rassistisch. Die benutzen uns als Versuchskaninchen. Die Versuche finden nie da statt, wo auch Chinesen leben, nur, wo Uiguren leben.“

Schon vorher hatten sich die Uiguren gegen die Atomtests gewehrt. Bei der größten Demonstration am 8. Mai 1992 hatten rund 10.000 Menschen in der Stadt Kashgar Demokratie und einen Verzicht auf die Atomtests gefordert. Und im März 1993 hatten etwa 1.000 Uiguren versucht, das Testgelände zu stürmen. Bei den Auseinandersetzungen mit der Volksarmee sei auch geschossen worden. Ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums wird in einer regionalen Zeitung mit den Worten zitiert, Hunderte „Barbaren“ hätten das Atomtestgelände gegriffen und schwere Schäden angerichtet. Alptekin begrüßte gestern den Protest von Greenpeace auf dem Tiananmen- Platz in Peking. „Wir sind Greenpeace dankbar für die Aktion. Sie lenkt die Augen der Weltöffentlichkeit auf unsere Probleme.“ Während die chinesische Regierung in einem im März 1990 vorgelegten Report Strahlenschäden an der Bevölkerung bestreitet, berichtet Alptekin von über 200.000 an den Folgen der Atomtests gestorbenen Landsleuten. Die Leukämierate sei in der Periode von 1975 bis 1985 um das siebenfache höher gewesen als im vorangegangenen Jahrzehnt. Speiseröhrenkrebs trete in der Region, in der die chinesische Regierung auch Uran abbaut und Bombenstoff anreichert, sieben- bis achtmal so oft auf wie im Rest Chinas. Die Lebenserwartung sei seit 1970 um zwei Jahre gesunken.

Vertreter der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhütung von Atomkriegen (IPPNW) forderten gestern die chinesische Regierung auf, endlich ihre Krebsstatistiken für die Region offenzulegen. Auch ihnen lägen die Zahlen der lokalen Atomkritiker vor, so Xanthe Hall von IPPNW. „Wir können sie nicht selbst bestätigen; um so wichtiger wären vernünftige Statistiken der chinesischen Regierung.“

Unterdessen versuchen australische WissenschaftlerInnen trotz des ebenfalls begrenzten Zugangs zu Daten über die französischen Atomtests mehr Licht in das Dunkel zu bringen. Australiens Umweltminister John Faulkner stellte beim Treffen der 15 Umweltminister des Südpazifikforums in Brisbane eine Studie vor, wonach aus dem Moruroa-Atoll möglicherweise bereits in 50 Jahren Radioaktivität freiwird.

Helen Garnett vom australischen Institut für Nuklearwissenschaft sagte allerdings, daß die Menge an dann freiwerdender Radioaktivität wahrscheinlich gering sein werde: „Diesem Gremium lag kein wissenschaftlicher Beweis vor, daß es gesundheitliche Auswirkungen außerhalb von Moruroa gibt.“

Australien will verlangen, daß Frankreich für etwaige Schäden die finanzielle Verantwortung übernimmt. Der Staats- und Regierungschef Naurus, Bernard Dowiyogo, kündigte an, daß sein Land die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich einfrieren werde, wenn die Atomversuche durchgeführt würden.

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