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■ StandbildEin Idol ist ein Idol ist ein ...?

„Mal Schmeling – ein Idol wird 90“, Sonntag, 21 Uhr, N3

Daß er ein Vorbild sei, weiß Max Schmeling selbst: Alle fünf Jahre wird es ihm in Funk und Film gebetsmühlenhaft bestätigt. Am Donnerstag nun feiert der Boxer seinen 90. Geburtstag. Schon am Sonntag haben die beiden NDR-Journalisten Peter Jensen und Wolfgang Biereichel den Reigen der Honneurs eröffnet mit einem einstündigen Porträt über diesen Mann, der 1936 den damals als unschlagbar geltenden schwarzen Faustkämpfer Joe Louis niederschlug.

Für ihren Film durften sich die Autoren auch in amerikanischen Archiven bedienen: Zu sehen war unter anderem Material über den zweiten Kampf gegen den „Neger“ (deutscher Rundfunkkommentar), den Schmeling im übrigen verlor. Biereichel und Jensen empörten sich dabei nicht nur über das fiese, aufgeheizte Klima in den USA, wo der Deutsche längst als Verkörperung des Arischen galt, sie legten auch immer wieder die Vermutung nahe, daß Schmeling ein ganz unpolitischer, nur an Kämpfen interessierter Sportler war. Der selbst gab nur zu Protokoll, daß er bei Hitler interveniert habe, weil er sich nicht der Direktive beugen wollte, sich von seinem jüdischen Manager zu trennen. Tapfer, nicht wahr?

Wahrscheinlich würden Jensen und Biereichel einwenden, daß Schmeling sich nach 1945 wirklich für Aussöhnung eingesetzt habe, beispielsweise mit der öffentlichen Demonstration seiner Freundschaft mit eben jenem Joe Louis, gegen den er zweimal fightete. Aber das hätte man gerne aus dem Mund des Porträtierten selbst erfahren.

Es hätte genügend Anhaltspunkte gegeben, einfach nur mal nachzufragen – über die sakrosankte These hinaus, daß nichts idolischer sei als Max Schmeling: Wie hat es sich damals gelebt? Woher kommt seine ludenhaft- jungenhafte Vorliebe für allen Glamour, woher die Neigung, sich mit Leuten wie Bertolt Brecht oder Marlene Dietrich an einen Tisch zu setzen? Mochte er Scheinwerfer? Wollte er sich seine große Zeit durch die Politik nicht verderben lassen?

Die Autoren verharmlosten Schmelings Biographie, wo immer es ging. Was sie zeigten, war eine öffentlich-rechtlich finanzierte Hör zu. Kein Wunder, daß ein anderer Mitläufer, Heinz Rühmann, Schmeling am Ende des Features die „Goldene Kamera“ überreichen durfte. „Wir brauchen dich“, sagte der greise Schauspieler. Doch wozu? Jan Feddersen

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