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Verkehr ist nicht verkehrt

■ Berlin soll das Zentrum für innovative Bahntechnik werden. Das Institut für Straßen- und Schienenverkehr an der Technischen Universität ist darauf schon heute eingestellt

„Verkehr studiert man nicht, Verkehr hat man“, äußerte unlängst der hinsichtlich seines Studienwunsches noch unentschlossene Sohn einer Bekannten. Der Knabe irrt, zumindest, was einen Teil seiner Aussage betrifft. Angesichts alltäglicher Autostaus in und um Berlin, angesichts tauber Füße beim Warten auf die nächste S- Bahn und angesichts fehlender Trambahnen hätte es ihm dämmern müssen: Selten war eine Herausforderung größer.

Professor Peter Mnich, Geschäftsführer des Instituts für Bahntechnik GmbH und Hochschullehrer an der Technischen Universität Berlin, hält dies nicht für übertrieben. „Das Verkehrsproblem heute ist nur durch eine sinnvolle Kombination von Auto, öffentlichen Verkehrsmitteln und der Bahn zu lösen.“ Leider, so Mnich, laufe man gegenwärtig dem Problem hinterher, weil die Ausbildung der Ingenieure in der Vergangenheit zu stark auf technische Aspekte setzte.

Außer an der TU Berlin, die als einzige Universität in Deutschland über einen Fachbereich Verkehrswesen verfügt, in dem 25 von 32 Lehrveranstaltungen zum „spurgeführten Verkehr“ angeboten werden, sei Verkehr „immer irgendwo mit untergebracht“ – im Bauingenieurswesen zum Beispiel, so Mnich. Auch der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG, Heinz Dürr, spricht heute von erheblichen Defiziten der Deutschen Bahn auf dem Gebiet der zukunftsorientierten Forschung und Technologie, weil nicht komplex genug ausgebildet würde.

Den Ingenieursnachwuchs in Fachrichtungen, aus denen sich die Verkehrstechnik traditionell entwickelt hat – etwa Maschinenbau, Bauingenieurswesen und Fahrzeugtechnik – betrachtet Mnich als ausreichend. Außerdem werde in Berlin eine neue Generation von Ingenieuren ausgebildet, „die auch etwas von Planungsprozessen verstehen, die nicht ängstlich sind, von der Bahn als nur ,Transportmittel‘ Abstand zu nehmen“: Bahnhöfe als Flaniermeilen, günstige Mietwagen oder Car-Sharing-Angebote vor der Tür, Parkmöglichkeiten außerhalb der Städte. „Damit, Autofahrer mal für zwei Tage in die S-Bahn zu locken, ist es nicht getan. Und auch Autoreisezüge sind genaugenommen Unsinn.“ Die in dieser Hinsicht vorhandenen Potentiale, in mehr als 25 Fachgebieten an neun wissenschaftlichen Einrichtungen Berlins und Brandenburgs, werden seit über einem Jahr von der TU aus koordiniert. Was die Technologien selbst betrifft, blickt Institutsleiter Mnich sehnsuchtsvoll nach Japan. Während in Fachkreisen der ICE bereits als veraltetes Vehikel und Prestigeobjekt die Runde macht, beschäftigt ihn die Diskussion um den Transrapid. „Die Automobilindustrie wartet jedes Jahr mit einer Neuerung auf. Innovationen bei der Bahn durchzusetzen, braucht es Jahrzehnte.“ Es gehe dabei ja nicht allein um Schnelligkeit, sondern darum, Systeme durchzusetzen, die hinsichtlich der Lösung der Verkehrsaufgabe die optimalsten sind, auch in ökologischer Hinsicht.

Die Einsparung von Energie, umweltfreundlichere Kühlvorgänge, dies sind auch, um nur einige zu nennen, Schwerpunkte bei AEG Schienenfahrzeuge in Hennigsdorf. Für Elke Hasenecker, Pressechefin des Unternehmens, ist eine Zusammenarbeit mit dem Berliner Institut für Bahntechnik eine Bereicherung auf diesem Gebiet. Auch ABB Henschel und die Siemens AG sind bereit, auf dem Gebiet der Verkehrsforschung mit der TU zu kooperieren.

Der im Juli dieses Jahres neu gebildete „Interdisziplinäre Forschungsverbund Bahntechnik“ soll, wie es seitens der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung heißt, die „Standortvorteile Berlins“ auf diesem Gebiet nutzen und die Region zu einem Zentrum des Schienenverkehrs und der Bahntechnikindustrie entwickeln. Der Bedarf nach Fachleuten wird, da ist sich Mnich sicher, weiter wachsen.

Ausreichend Studienkapazitäten sind in Berlin vorhanden. „Untergekommen sind alle, die bei uns studiert haben, bislang auch immer“, wirbt er. „Die besten natürlich in unserem Institut, die forschende Industrie nimmt uns die Leute gerne ab. Kaum hat man sie ordentlich ausgebildet, sind sie weg.“ Doch Mnich ist nicht wirklich traurig über eine solche Entwicklung. Sie zeige nur, daß Berlin in dieser Hinsicht eine gute Adresse ist. Kathi Seefeld

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