: Knappen-Joghurt mit Borussen-Senf
Vom Hemdchen bis zum Grießpudding: Fußball-Accessoires sind die einzigen Sportartikel mit Zuwachsraten. Merchandising verfestigt aber auch die Dreiklassengesellschaft Bundesliga ■ Von Matthias Kittmann
Vergeßt Baseball-Kappen mit „Chicago Bulls“ drauf! Was ein wahrer Borussia-Dortmund-Anhänger sein will, der tunkt sein Würstchen standesbewußt in ein BVB-Senfglas, während sich der Schalke-Fan einen „Knappen-Joghurt“ reinzieht. Vergeßt „soccer“! Längst heißt der Fußball wieder Fußball oder bestenfalls Football. Die Nr. 18, „Klinsmann“, das ist in. Fußball-Outfit boomt bei alt und jung. Das Geschäft mit Schalke 04, Bayern München oder Borussia Dortmund funktioniert im Grunde genauso wie das mit einem Schokoriegel: Der Konsument kauft nur ein Produkt, das er auch kennt.
Doch Fußballclubs haben gegenüber einer neuen Knabberschnitte einen unschätzbaren Vorteil: Der Fan muß nicht mehr überzeugt werden.
Eigentlich heißt die Ware, die verkauft werden soll, Bundesliga. Und um dies zu erreichen, greifen die Clubs vermehrt zu „verkaufsfördernden Maßnahmen“. Denn nichts anderes heißt das neue Zauberwort „Merchandising“ übersetzt. Gemeint ist damit der Fanartikelverkauf: Vom Wegwerffeuerzeug bis zum Mountainbike – Hauptsache die Clubfarbe stimmt. Und der Markt mit der schnellen Mark verspricht enorme Steigerungsraten. Noch 1990/91 wurden in der gesamten Bundesliga gerade mal sechs Millionen Mark mit Fanartikeln umgesetzt, in der letzten Saison waren es schon knapp 50 Millionen Mark. Jetzt soll die 100- Millionen-Grenze durchbrochen werden. Das wäre das Doppelte dessen, was die Sponsoren den Clubs einbringen. Entscheidend beim Merchandising ist nicht, was drin ist, sondern was drauf steht. Und die Fußball-Bundesliga hat einen hohen „Marken“-Wert. Allerdings nicht jeder Club. Dortmund, Bayern, Schalke, Gladbach – klar, die haben eine bundesweite Fangemeinde. Sie unterhalten nicht nur mehrere Fanshops, sondern schließen gleich Verträge mit ganzen Kaufhauskonzernen ab. Der KFC Uerdingen und Hansa Rostock müssen da kleinere Brötchen backen. Im wahrsten Sinne des Wortes. An der Ostseeküste verkaufen sie das „Hansa-Brot“, und von jedem verkauften Laib geht eine Mark in die Clubkasse.
In gleichem Maße, wie die Liga sportlich dreigeteilt ist, zeichnet sich auch im Merchandising-Bereich eine Dreiklassengesellschaft ab. Bayern München hat schon vor Jahren erkannt, welches Potential der Fanartikelverkauf bietet. 20 Mitarbeiter kümmern sich an der Säbener Straße um die Versorgung der Fans. Geschätzte 15 Millionen Mark soll der FC Bayern in der letzten Saison umgesetzt haben, die für die aktuelle Spielzeit avisierten 30 Millionen wurden bereits nach oben korrigiert.
Gemessen an Borussia Dortmund eine bescheidene Steigerungsrate. Die haben ihren Fanartikelumsatz seit dem Meistertitel vervierfacht. Letztes Jahr waren die Einnahmen mit dem Nippes noch gar nicht in den Etat eingeplant. Dabei hatten die Dortmunder eigentlich das Potential des Merchandising fast verpennt. Erst der unstillbare Durst der Fans nach Devotionalien hat die Verantwortlichen wachgerüttelt: In ihrer Not hatten sich die Fans im letzten Jahr die Bundesliga-Tabelle in den Weihnachtsbaum gehängt. Jetzt führt der neue Katalog auch schwarz-gelbe Christbaumkugeln im Herbstprogramm. Allein von den sogenannten Replika-Trikots zum Stückpreis von 120 Mark wollen sie dieses Jahr 100.000 Exemplare verkaufen. Um die Bayern einzuholen, reicht das aber noch lange nicht. Die haben in dieser Saison bereits eine halbe Million Trikots abgesetzt und damit sogar den bisher unbestrittenen europäischen Marktführer Manchester United überflügelt, bei dem im vergangenen Jahr 400.000 Hemdchen über den Tresen gingen. Dortmund wird bei entsprechenden Werbeanstrengungen immerhin die Verfolgung zugetraut.
Auslöser für den Schub in der gesamten Liga ist nicht nur ein Vorzeigekicker wie Jürgen Klinsmann, sondern in erster Linie die neue Regelung, daß die Spieler ihre Rückennummern jetzt die ganze Saison beibehalten und auch noch der Name auf dem Trikot prangt. Während noch vor einigen Jahren Vereinsleibchen reichlich resonanzlos angeboten wurden, hilft die Fußballbundesliga jetzt den Sportartiklern aus so mancher Bredouille: „Fußball-Accessoires sind derzeit das einzige Segment mit Zuwachsrate“, gesteht adidas- Mann Jan Runau, „im letzten Jahr allein neun Prozent.“ Und Hans- Peter Rudolph vom Lokalrivalen Puma rechnet für diese Saison mit „einer weiteren Umsatzsteigerung von etwa 40 Prozent“. Das Geschäft brummt. Doch die beiden Platzhirsche haben Konkurrenz bekommen, sechs weitere Hersteller tummeln sich mittlerweile in der Bundesliga.
Aber es gibt auch unerwartete Sorgenkinder. Bei der Frankfurter Eintracht etwa haben sie so viel mit ihren Affären zu tun, daß sie das Geschäft mit den Fans ganz vergessen haben. Vor zwei Jahren wurden Feuerzeuge und Wimpel für 3.500 Mark verkauft. Diverse Kleinhersteller und Händler führten für ihre Produkte keine Lizenzgebühren ab. Mittlerweile sind sie am Main aufgewacht und haben einen Experten eingestellt, der den Merchandising-Bereich auf Vordermann bringen soll. Angesichts der desolaten Strukturen wird das jedoch Jahre dauern.
Ausrisse: Werbung
Nachhilfe könnte die Eintracht beim SC Freiburg nehmen. Alternativ hin oder her, die Marktwirtschaft haben die Südbadener kapiert. In fast jeder Tankstelle in der Region gibt es eine SC-Ecke, und mittlerweile finden sich auch Verkaufsstellen in Dortmund und Berlin. In einer Untersuchung wird das Fanpotential des Sportclubs bundesweit auf eine Million geschätzt, und eine Umfrage hat ergeben, daß die „echten“ Fans (geschätzte 30.000) pro Jahr mindestens 100 Mark für Devotionalien ausgeben. Das macht wieviel? Drei Millionen!
Zudem vermarktet sich der SC komplett in Eigenregie: „Wir vergeben keine Lizenzen, sondern lassen selbst produzieren“, sagt Merchandising-Mann Udo Bangert, „da bleibt nicht soviel bei den Zwischenhändlern hängen.“ Zwar wird dadurch das Risiko größer, aber der Gewinn auch. Und mit schadstoffarmen Textilien und einer SC-Solaruhr bleiben die Freiburger vor allem ihrem Öko- Image treu.
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