Das Portrait: Der gute Junge
■ Axel Schulz
Axel Schulz, Stasi-IM und ehrliche Haut Foto: Bongarts
Unter dem Decknamen „Markus“ hat ihn die DDR- Staatssicherheit geführt. Zwischen 1986 und 1987 hat der Schwergewichtsboxer Axel Schulz (26) Berichte geliefert. Ein bißchen „Blabla“ habe er erzählt, weil ihn die „Firma“ nach der Flucht seines Vaters in den Westen zur Mitarbeit gezwungen habe: „Entweder du hilfst uns, oder du kannst die Koffer packen.“ Und Axel half – wie viele andere Größen des DDR-Sports. Seine Akte soll ihm „mangelnde Zuverlässigkeit und eine unbefriedigende Einstellung“ bescheinigen – ein wichtiges Kompliment.
Zum Boxen ging Axel Schulz wie andere Leute zum Kegeln oder Fußballspielen. Es war für ihn einfach nur ein Sport wie jeder andere. Als er mit zehn Jahren einem Mitschüler seine Rechte auf den Bauchnabel setzte, spürte er zum ersten Mal, was in ihm steckt. Ein Jahr später fing er an zu boxen. Doch ein Knockouter ist Axel Schulz, der Beinahe-Weltmeister aller Klassen aus Frankfurt (Oder), nie geworden. Im Gegenteil: „Schaf“ nennt ihn sein Trainer Manfred Wolke, dessen größtes Problem es ist, seinem Zögling „die Harmlosigkeit auszutreiben“. Gerissener soll er werden, böser, aggressiver. Da tut sich der gute Junge aus Fürstenwalde, der nach jedem Kampf die Mama anruft, ein bißchen schwer.
Anders als sein Stallgefährte Henry Maske erscheint Axel Schulz noch unverbogen. Ein bißchen naiv, aber 'ne ehrliche Haut, wie Freunde und Beobachter ihn übereinstimmend nennen. Sein Coming-out als deutscher Spitzenboxer hatte der 94 Kilo schwere und 1,90 Meter große Schwergewichtler erst mit dem WM-Kampf gegen Oldie George Forman in Las Vegas. Schulz schaffte beinahe die Sensation: Er beherrschte den 47jährigen Box-Opa in der zweiten Hälfte des Kampfes überraschend klar. Am Ende mußte er einsehen, daß „wir nicht nur gegen Forman, sondern auch gegen die drei Punktrichter angetreten sind“. Die hatten Forman auf ihrer Rechnung deutlich vorn.
Schulz hatte schon 1988 die DDR-Amateurmeisterschaft gewonnen, wurde ein Jahr später EM-Zweiter und WM-Dritter. 1990 wechselte er ins Profilager.
Seine zweite große Chance hat Schulz am 9. Dezember, wenn er in Stuttgart gegen den Südafrikaner François Botha nochmals um den WM-Titel boxen darf. Gewinnt er diesen Kampf, ist er – Stasi hin, Spitzeldienste her – in Deutschland der Größte seit Max Schmeling. Manfred Kriener
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