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Zum richtigen Preis kann man alles versichern

■ Hohe Schäden bei Naturkatastrophen könnten Versicherungen und Umweltverbände miteinander verbinden. Ein Interview mit Gerhard Berz, Direktor bei der Münchener Rück

Immer wieder wird darüber sinniert, daß Versicherungsgesellschaften die idealen Partner von Umweltverbänden sein müßten: Beide haben Interesse daran, Umweltschäden möglichst niedrig zu halten – die einen aus ökologischen, die anderen aus ökonomischen Gründen. Städte sind aufgrund ihrer Bevölkerungsdichte bei Umweltschäden und Naturkatastrophen besonders übel dran. Während 1960 noch 35 Prozent der Weltbevölkerung in Städten lebten, sollen es in 25 Jahren schon 60 Prozent sein. Die Forschungsgruppe Geo der Münchener Rückversicherung beobachtet und analysiert Naturbewegungen, -gefahren und -katastrophen auf dem gesamten Globus. Andreas Lohse sprach über die Arbeitsweise von Rückversicherungen und deren Möglichkeiten hinsichtlich des Umweltschutzes mit dem Leiter der Forschungsgruppe Geo, Gerhard Berz.

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taz: Versicherungsmulti und Umweltlobby – gibt es da Schnittpunkte?

Gerhard Berz: Der Schnittpunkt liegt vor allem bei den Naturkatastrophen. Ihre Anzahl hat sich im Vergleich zu den 60er Jahren verfünffacht. Die volkswirtschaftlichen Schäden haben sich versechsfacht, und die versicherten Schäden nahmen um den Faktor 14 zu. Dieser Trend ist dramatisch, denn Naturkatastrophen sind für uns immer teurer geworden.

Allein wegen der Häufung?

Nicht nur. In der rasch wachsenden Bevölkerung gibt es pro Kopf gesehen mehr Sachwerte als früher. Außerdem konzentrieren sich die Leute in bestimmten Regionen: in Städten sowie in Küstenzonen, und beide sind sehr verwundbar bei Stürmen, Erdbeben oder Flutwellen.

Dann sind da noch die künstlich geschaffenen Umweltveränderungen. Einerseits dadurch, daß der Mensch beispielsweise das Abflußverhalten der Flüsse geändert hat, sie immer weiter begradigte und die ganzen Retentionsräume einfach wegkultivierte, und weil sich auch die Anbaumethoden der Landwirtschaft verändert haben. Und schließlich die Klimaänderungen, die wir sehr ernst nehmen, weil wir glauben, daß sie heute schon ihre ersten Auswirkungen zeigen, die sich aber in den nächsten Jahrzehnten noch sehr viel dramatischer auswirken werden.

Haben Sie Prognosen?

Kaum. Bei Stürmen oder Erdbeben kann es durchaus sein, daß plötzlich versicherte Schäden im Bereich von mehreren zehn Milliarden Dollar auftreten und dabei kleinere Versicherungen zahlungsunfähig werden.

Raten Sie denn Ihren Kunden, beispielsweise Überschwemmungen nicht mehr zu versichern?

Zumindest nur dann zu versichern, wenn die Versicherer und ihre Kunden entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben. Wir haben in praktisch allen Ländern der Erde Vertragspartner, die wir ganz besonders auch gegen Katastrophenschäden versichern. Die lokalen Versicherer wollen natürlich einen Teil ihres Risikos weltweit weitergeben, weil sie im eigenen Land nicht den nötigen Ausgleich hätten. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man praktisch alles versichern kann, wenn der Preis stimmt.

Was bedeutet denn ein Wirbelsturm auf Jamaika für die Versicherungen und Rückversicherungen dieses kleinen Landes?

Das bedeutet: Ein Hurrikan trifft die gesamte Insel, deren ganzen Versicherungsbestand, und richtet einen riesigen Schaden an. Dann passiert 10 oder 20 Jahre lang nichts mehr. Ein einzelner Sachversicherer müßte also außerordentlich hohe Rücklagen bilden, um mit dieser einen Katastrophe alle Dutzend Jahre fertig werden zu können. Es ist für ihn viel billiger und sicherer, wenn er einen großen Teil seines Risikos an den internationalen Rückversicherungsmarkt weitergibt, der für einen weltweiten Ausgleich sorgt.

Nun stützen Sie ja auch Versicherungen, die beispielsweise Chemiemultis gegen Produktionsunfälle versichern. Gleichzeitig behaupten Sie, Umwelt schützen zu wollen, weil es Ihnen weniger Kosten verursacht.

Wir müssen natürlich zunächst sehen, wo Versicherungsbedarf besteht, denn unsere Aufgabe ist es, diesen Bedarf zu decken. Wir können versuchen, unsere Kunden, also die Erstversicherer, davon zu überzeugen, daß ein Produkt nicht sinnvoll ist, oder vorschlagen, wie es zu verbessern wäre. Insbesondere muß der Erstversicherungskunde zunehmend mehr Verantwortung tragen. Ihm darf das Risiko nicht völlig aus der Hand genommen werden, denn langfristig ist es natürlich kontraproduktiv, wenn der einzelne weiß, ein Schaden träfe ihn überhaupt nicht, und er sich sogar noch freuen kann, weil ein Schaden bedeutet, daß er mittels Versicherung für das Alte etwas Neues erhält.

Es trägt doch aber zur Sorglosigkeit bei, wenn Düngemittelhersteller beispielsweise ihre Wasser-, Boden-, Luftverschmutzung versichern können ...

Solche Umweltschäden zu versichern geht nur in eingeschränktem Umfang. Versicherungen zahlen zur Zeit nur für tatsächlich eindeutig zuweisbare Schäden und solche, die durch unfallartige Ursachen entstanden sind. Schleichende Umweltschädigungen sind in der Regel schlecht nachweisbar.

Welchen Einfluß üben Sie denn aus, um Umweltverbesserungen zu erreichen? Sie sitzen doch an bester Quelle, um Umweltschäden über Versicherungsauflagen vorzubeugen.

Wir können sie aber nicht verhindern. Wir können nur unsere Kunden auffordern, ihrerseits bei ihren Kunden aufzupassen, wenn gehäuft größere Umweltschäden eintreten. Es kann aber natürlich auch nicht im Sinne der Versicherungswirtschaft sein, nichts dagegen zu unternehmen. Wir haben an politischer Stelle unsere Bedenken hinsichtlich mancher Umweltprobleme vorgetragen, und ich habe den Eindruck, daß manche Politiker Argumente, die aus der Wirtschaft kommen, eher wahrnehmen als solche aus der Wissenschaft.

Versicherungsgesellschaften machen offenbar immer nur dann ihren Einfluß geltend, wenn es ihnen ans eigene Portemonnaie geht.

Sie haben natürlich immer versucht, Entwicklungen gegenzusteuern, die ihnen schaden. Das ist aber in der Wirtschaft ganz normal – was diesem Industriezweig langfristig schadet, versucht man zu vermeiden und zu verhindern. Die Versicherungswirtschaft hat meines Erachtens aber auch nie irgendwelche Umweltschädiger bewußt unterstützt, sondern sie haben im Rahmen ihres normalen Geschäftes den Versicherungswunsch ihrer mitunter vielleicht auch umweltschädigenden Versicherungskunden erfüllt. Aber sie versuchen auch, dem Kunden klarzumachen, daß ein Schadenspotential besteht, das unter Umständen langfristig von der Versicherungswirtschaft nicht mehr getragen werden kann.

Was versichern Sie nicht?

Bei uns in Deutschland sind Sturmfluten gar nicht und ist Hochwasser nur sehr schwer versicherbar. Wir haben zwar seit ein paar Jahren auch Überschwemmungsversicherungen inklusive Schneedruck, Erdbeben und Erdrutsch anzubieten. Aber diejenigen, die hier besonders gefährdet sind, etwa der Kneipenwirt in der Kölner Altstadt, finden keine Versicherung, die ihnen das Risiko abnimmt, weil es in den letzten Jahren zu häufig aufgetreten ist, als daß es sich für den Versicherer noch rechnen würde. Für den Wirt ist es billiger, bei Hochwasser die Einrichtung in die erste Etage zu räumen und hinterher den Laden selbst zu renovieren, statt sich gegen Hochwasser zu versichern. Die wahrscheinlich horrende Prämie will und kann niemand zahlen.

Nun treten Sie selbst für eine Nutzung der Solarenergie ein. Wo liegt da die versicherungswirtschaftliche Relevanz?

Generell müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen zu reduzieren. Und da ist einer der Wege die Nutzung von Solar-, Wind- und anderen alternativen Energien.

Machen Sie sich auch dafür stark, eine CO2-Steuer einzuführen?

Das ist nicht unsere Sache, so etwas zu fordern. Allerdings würde es natürlich dem Klimaschutz dienen, wenn es eine CO2- oder Energiesteuer gäbe.

Weshalb sollte eine solche Forderung nicht Ihre Sache sein? Wenn durch Klimaveränderungen ständig neue Umweltschäden passieren, belasten die schließlich auch Ihr Konto.

Wir sehen das anders: Die Versicherer müssen sich ständig an veränderte Bedingungen anpassen. Denken Sie an die rasant steigenden Autodiebstähle nach Öffnung des Eisernen Vorhangs. Da haben die Versicherer schnell reagiert, indem sie zum Beispiel elektronische Wegfahrsperren zur Pflicht machten. Insofern haben wir zahlreiche Instrumente, mit denen wir uns rasch anpassen können. Man kann nicht sagen, daß die Versicherer automatisch die Verlierer der Klimaänderung wären. Versicherungen wissen schon ihre Produkt so zu gestalten, daß es für sie nicht in einem Desaster endet.

Nun heißt es, Sie pflegen engen Kontakt zu Umweltverbänden. Was haben Sie denn mit denen zu schaffen?

So eng ist der Kontakt zwar nicht, aber wir haben zum Teil parallele Interessen. Beispielsweise würden eine Besteuerung der Autos nach Kilometerleistung sowohl manche Umweltverbände als auch Versicherer befürworten. Versicherer allerdings deshalb, weil sich zeigt, daß diejenigen, die wenig fahren, auch weniger Unfälle haben und deshalb begünstigt werden sollten.

Aber es gibt relativ wenige Bereiche, in denen unsere Interessen parallel laufen. Greenpeace hat gemeint, daß Klimaänderungen mehr Naturkatastrophen verursachen, also müßten die Versicherer automatisch am selben Strick ziehen. Das ist nicht ganz so.

Nun liegt in den Händen der Versicherungen viel Kapital, das dort angelegt wird, wo es Profit abwirft. Kommen auch Anlageformen im Bereich Umweltschutz oder regenerativer Energiequellen in Frage?

Nicht automatisch, sondern vorerst eher in den seltenen Fällen, in denen man sich eine vernünftige Rendite versprechen kann.

Das wäre doch aber eine Möglichkeit, mit viel Geld positive Schritte in Richtung Umweltschutz zu tun – man verzichtet zwar auf ein bißchen Rendite, aber dafür wird das Kapital ökologisch korrekt angelegt.

Ja, das wäre es durchaus. Aber die Finanzabteilungen der Versicherer argumentieren zu Recht, daß sie in erster Linie den Aktionären gegenüber verpflichtet sind, aus den Investitionen bestmögliche Renditen zu erwirtschaften.

Aber auch Aktionäre können doch mit ihren Profiten nichts mehr anfangen, wenn die Lebensgrundlagen erst ruiniert sind.

Das ist richtig. Und ich persönlich bin auch zuversichtlich, daß die Entwicklung in die von Ihnen genannte Richtung geht. Nur darf man von der Versicherungswirtschaft nicht verlangen, daß sie darin Vorreiter spielt. Schon gar nicht von den deutschen Versicherern allein, daß sie den Vorreiter gegenüber anderen spielen, weil sie sich da nur Wettbewerbsnachteile einhandeln würden. Das ist leider immer der Haken: Man findet nirgendwo eine Möglichkeit zum Neuanfang, weil jeder auf den anderen wartet.

Von wem müßte denn der Anstoß kommen?

Meines Erachtens vom Gesetzgeber ...

...und den Aktionären?

Wohl kaum. Die wollen natürlich ihre Rendite. Versicherer können das Umweltverhalten der Bevölkerung nur durch die Gestaltung des Produkts beeinflussen. Bei entsprechender Selbstbeteiligung beispielsweise ist der Versicherungsnehmer eher motiviert, Vorsorge zu treffen. Wenn er sich gegen Naturereignisse zu schützen versucht und in dieser Hinsicht in seinem Betrieb oder seinem Umfeld Vorsorge trifft, tut er meistens der Natur auch etwas Gutes dabei. Die Versicherer spielen da insofern eine Rolle, als sie über finanzielle Instrumente zur Motivation verfügen.

Sind also das „Wir“-Gefühl und die Ansicht mancher Umweltverbände, Ökologie und Ökonomie zögen am selben Strang – zumindest die Versicherungsbranche betreffend – Träumerei?

Nein, keineswegs; nur nicht schon heute oder morgen. Innerhalb der nächsten Jahre wird es hier ganz sicher zu einer Annäherung kommen.

Interview: Andreas Lohse

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