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Der Poker der Mediengiganten Kirch und Bertelsmann um die Gunst des zahlenden Fernsehzuschauers endete mit einer Einigung auf einen gemeinsamen Decoder. Wer den richtigen Schlüssel hat und fürs Fernsehvergnügen bezahlt, kann künftig am „elektronischen Kiosk“ nach Laune shoppen gehen Von Michael Rediske

Entertainment auf Abruf

Noch vor kurzem sah es so aus, als könnte der Start des digitalen Pay-TV in Deutschland ins Wasser fallen. Die Konzerne Kirch und Bertelsmann lieferten sich monatelang einen erbitterten Kampf – jeder von beiden wollte sein technisches System durchsetzen. Der erste digitalisierte Satellit (Astra 1E) ist ab Januar sendebereit. Aber da die schöne neue Fernsehwelt nur denjenigen Zuschauern zugänglich sein soll, die auch zahlen, müssen seine Signale für den Empfang wieder entschlüsselt werden: mit einem Gerät, das wie ein Videorecorder aussieht und Decoder oder „Settop-Box“ genannt wird. Da aber Kirch und Bertelsmann unterschiedliche Systeme dafür entwickelt hatten, wollte auch jeder die Lizenzgebühren kassieren. Doch wie viele Zuschauer würden wohl gleich zwei Decoder auf ihren Fernseher stapeln, für rund 1.000 DM das Stück?

Leute, die darauf neugierig sind, das nächste Formel-1-Rennen zappenderweise einmal aus dem Cockpit von Michael Schumacher, dann aus der Luft und dann wieder vom Boxenstand aus zu verfolgen, könnten dann eher verzichten. Und solange niemand wüßte, mit welchem Decoder in Zukunft alle Bundesligaspiele live zu sehen sein werden, würden auch die Fußballfans abwarten, genauso wie die Filmfreunde, denen man versprochen hatte, die Kinohits bald zu fast jeder beliebigen Anfangszeit auf ihren Bildschirm zu holen.

Und noch eins machte den Poker der beiden Mediengiganten spannend. Gemeinsam gehört ihnen der bisher einzige deutsche Pay-Sender premiere, der letzte Woche eine Million Abonnenten feierte. Sie wären die einzigen sicheren Kunden für den digitalen Decoder. Doch ohne Einigung über ihn waren auch alle ehrgeizigen Pläne der premiere-Macher, ihren Abonnenten künftig mehrere Kanäle anzubieten (inklusive zweier Bundesligaspiele live) Makulatur.

Während die Experten beide Konzerne zur Einigung drängten, ging der Poker erst richtig los. Bertelsmann vertraute darauf, daß man sich mit allen außer Kirch schon geeinigt hatte. Gemeinsam mit der luxemburgischen CLT, dem französischen Abosender Canal Plus, mit RTL, ARD, ZDF und der Deutschen Telekom betrieb man die Gründung einer „Multimedia-Betriebsgesellschaft“ (MMBG), die das Geschäft koordinieren sollte. Und Leo Kirch wurde herzlich eingeladen, dabeizusein.

Der hatte aber eine bessere Idee und spannte seinen Freund Helmut Kohl für sich ein. Der wiederum ließ seinen Medienberater Andreas Fritzenkötter einen Brief an die Telekom schreiben. Tenor: Es könne doch nicht angehen, daß das Noch-Staatsunternehmen von vornherein einem ausländischen Produkt den Vorzug gebe. Gemeint war die von Bertelsmann gemeinsam mit dem französischen Canal Plus entwickelte Box, für die sich die Telekom schon entschieden hatte. Doch Kohl hatte offenbar nicht daran gedacht, daß die Kirch-Box auch nicht so viel deutscher ist: Sie wurde gemeinsam mit dem Südafrikaner Johan Rupert entwickelt, und herstellen soll sie der finnische Nokiakonzern.

So schaffte das Kanzleramt mit seiner Intervention zwar, daß die Telekom noch einmal eine Ausschreibung vornahm, aber die kam zum alten Ergebnis: für die „Media-Box“ von Bertelsmann. In einem Spitzengespräch am Donnerstag abend lenkte Kirch nun ein und erklärte sich bereit, der gemeinsamen Firma MMBG beizutreten, die auch nur einen Decoder auf den Markt bringt.

Der Wettbewerb um die neuen Programme beginnt

Dabei werden die Gesellschafteranteile noch einmal neu verteilt, so daß Kirch mehr als nur die bisher vorgesehenen fünf Prozent bekommt. Auch der Kabelnetzbetreiber Vebacom soll noch beteiligt werden. Vermutlich wird dann der Zuschauer von den einzelnen Fernsehveranstaltern unterschiedliche Chipkarten bekommen, mit denen die Programme freigegeben werden. Doch mit der Einigung über die Technik geht der andere Konkurrenzkampf erst los: der um die Inhalte. Kirch hat bereits angekündigt, daß er im Frühjahr ein „Programmbouquet“ mit rund 30 Kanälen starten will.

Ein Gutteil davon wird aus zeitversetzter Ausstrahlung bestehen, dazu kommen vermutlich Musikkanäle, Klassik wie Pop, und andere „Spartenangebote“. Bertelsmann hat es mit einem eigenen Angebot nicht besonders eilig, sondern setzt zunächst darauf, daß ihm (gemeinsam mit seinem französischen Partner Canal Plus) 75 Prozent an premiere gehört. Der Kanal wird zunächst Kirchs größter Konkurrent auf dem deutschen Markt sein. Zwar hat auch die luxemburgische CLT ein deutschsprachiges Pay-Paket angekündigt (und sich auch schon mal um die Fußballbundesliga beworben). Aber allein wird die Miteigentümerin von RTL es schon mangels Finanzmasse kaum schaffen.

Und was sollen die gepriesenen „Programmbouquets“ die Zuschauer kosten? Premiere hat auf der Funkausstellung angekündigt, daß es nicht mehr sein wird, als schon bisher für das einzelne Programm zu zahlen war, also 44,50 Mark, inklusive Decodermiete. Ein bunter Programmstrauß aus dem Gewächshaus Kirch (ohne den Decoder) dürfte dann knapp unter 20 Mark zu haben sein.

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