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Bremen verpaßt Zug der Zeit

■ Der regionale Schienenverkehr wird ab Januar unter Regie der Länder betrieben / Bremen hat den Sprung zum echten Verkehrsverbund verschlafen

Für den Schienenverkehr in der Region Bremen bleibt auch nach dem Übergang in Länderhoheit am 1. Januar alles beim alten. Das ist allerdings keine gute Nachricht. Denn mit dieser Entscheidung, die gestern in Form eines Vertrags zwischen der Bahn AG und Bausenator Bernt Schulte festgeschrieben wurde, koppelt sich Bremen von einer Entwicklung ab, die in anderen Großstadtregionen schon weit fortgeschritten ist.

Während in Bremen der Schienenverkehr lediglich auf dem Stand des Fahrplans 1993/94 weiterbetrieben wird, nutzt zum Beispiel die Region Hannover die Bahnregionalisierung dazu, ab sofort einen umfassenden Verkehrsverbund zwischen Schiene, Straßenbahn und Bus zu schaffen.

Der Bund zahlt nämlich zusätzlich zur Aufrechterhaltung des bestehenden Schienen-Regionalverkehrs auch an Bremen in nächsten Jahr 8,57 Millionen und ab 1997 jedes Jahr 34,84 Millionen Mark für Investitionen in die Verbesserung des gesamten ÖPNV. Für den regionalen Zugverkehr will Bremen von diesem Geld jedoch fast nichts verwenden.

Die Ursache dafür liegt in der Konstruktion der Verkehrsgemeinschaft Bremen/Niedersachsen (VBN). Im Unterschied zur hannoverschen GVH hat sie keinen einheitlichen staatlichen Träger. Stattdessen bestimmen in der VBN neben den Städten Bremen und Bremerhaven mehrere Landkreise und zahlreiche private Busunternehmen. Und die konnten sich bisher nicht auf die Übernahme des Schienenverkehrs verständigen. Vor allem die ländlichen Kreise Cuxhaven und Cloppenburg wollen nicht die Kosten für Züge mittragen, die ihr Gebiet lediglich durchfahren.

„Spätestens in zwei Jahren wollen wir die Trägerschaft für den Schienenverkehr aber an die VBN übergeben“, versprach Bausenator Schulte gestern trotzdem. Sein Vertrag mit der Bahn AG ist deshalb auch auf zwei Jahre befristet und enthält eine Öffnungsklausel, falls die VBN den Schienenverkehr sogar schon vorher übernehmen wollen. Das Land Bremen dürfe in dieser Frage jedoch „nicht treiben“, sonst würde man die niedersächsischen Partner verprellen, so Schulte.

Trudel Borgwardt, die den Vertrag gestern für die Bahn AG unterzeichnete, bestätigte, daß sie „den Schienenverkehr lieber gleich an die VBN übertragen“ hätte. Die Chance für eine enge Verzahnung zwischen Zügen, Straßenbahnen und Bussen wäre dann größer gewesen. Eine Katastrophe sei die Verzögerung jedoch nicht. Schließlich habe auch das Land Bremen in den „schwierigen Verhandlungen“ auf bessere Standards für Ausstattung, Pünktlichkeit und Reinigung der Züge und Bahnhöfe gedrungen.

Gleich mitunterschrieben wurde gestern denn auch die Gundsanierung des Bahnhofs Walle. Für 2,7 Millionen Mark, die sich die Bahn und Bremen teilen, sollen dort bis Ende nächsten Jahres die Treppen und Bahnsteige neu gebaut und mit behindertengerechten Aufzügen versehen werden. Parallel soll auch der Bahnhof Oslebshausen saniert werden – allerdings nur in einer Sparausführung mit ABM-Kräften.

Eine „heikle Frage mit großem Tiefgang“ sei noch immer der volle Ausbau des Nordausgangs am Hauptbahnhof, sagte Schulte gestern. Er hoffe im nächsten Jahr mit einer definitiven Entscheidung der Bahn AG, damit die Bauarbeiten „bis zur Expo 2000“ abgeschlossen werden könnten. Und die Vertreter der Bahn nickten. Ase

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