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■ Standbild(Un)Gläubiges Staunen

„Halleluja turbogeil“, Dienstag, 22.15 Uhr, ZDF

In einer Kanüle steigt Blut auf, sammelt sich in einer Verdickung, wird umgeleitet in eine Maschine. Ein Dialysegerät. Schnitt auf die Patientin Johanna: „Gott wird ein Wunder an meinem Körper tun. 17 Jahre bin ich zum Arzt gelaufen – es muß jetzt eine Veränderung her.“ Ein anderer Ort: Enno, ein junger Mann mit kurzen Haaren, spielt Gitarre. „Was trägst du denn da um den Hals?“, fragt die Reporterin. „Das ist ein Hundehalsband“, erklärt Enno. „Wo normalerweise die Leine dranhängt, hängt bei mir ein Kreuz. Das bedeutet: Jesus soll mein Führer sein.“

Die Dokumentation „Halleluja turbogeil“ von Jana Matthes und Andrea Schramm erzählt im ständigen Wechsel die Geschichte von drei Hardcore-Christen aus dem Osten Deutschlands, verfolgt ihren Weg „vom Atheismus zur Ekstase“. Für die Polizeischülerin Anke ist Satan „der Herrscher der diesseitigen Welt“. Alles sei doch in Ordnung gewesen, so Anke, „bis Eva vom Baum des Lebens, nee, der Erkenntnis gegessen hat. Seitdem hat Satan hier sein Imperium aufgebaut.“

Die Kamera ist überall dabei: wenn Enno einen Trabbi als Jesus-Car bemalt, wenn Anke im Gottesdienst in Trance fällt und wenn die alleinerziehende Mutter Johanna endlich ein Rendezvous hat: „Ich wünsche mir einen Lebensgefährten, das habe ich mit Gott auch schon ausgemacht.“ Die Autorinnen kauen den ZuschauerInnen kein Urteil vor. „Die hat einen religiösen Koller ...“, wird Anke im Off kommentiert. Aber dann heißt es weiter: „... sagen Verwandte und Nachbarn.“ Diese Zurückhaltung ist einerseits angenehm, andererseits übertrieben. Matthes und Schramm stellen keine kritischen Fragen. Wie ist Ankes Verhältnis zu Freunden und Verwandten seit ihrem Beitritt in die charismatische Gemeinde? Enfremdet? Wie geht die Gemeinde mit Aussteigern um? Bleibt eine psychische Abhängigkeit? „Halleluja turbogeil“ gibt darauf keine Antworten. Der Film zeigt zwar religiös verzückte Menschen, ohne sie vorzuführen. Aber es fehlt die Erklärung, die Recherche im Umfeld und im Hintergrund. Die Dokumentation will, so schreibt das ZDF, „ein Schlaglicht auf die Szene werfen“. Das gelingt. Aber das Schlaglicht flammt nur kurz auf, danach bleibt Staunen über die seltsamen Gläubigen auf dem Bildschirm. Was es nicht alles gibt?! Stefan Kuzmany

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