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Wenn der Schal auf die Matte fliegt

■ Hamburger Judo-Meisterschaften am Sonnabend in familiärer Atmosphäre Von Folke Havekost

„Ha-jime“: Der Kampfrichter gibt den Kontrahenten das Startzeichen. Fußsichel und Schulterwurf regieren in den nächsten Minuten auf der Matte. Vom knappen „rechts besser, Kai“ bis zum verständlicheren „da macht er nichts mehr, der Rote“ reichen die Botschaften, die etwa 150 ZuschauerInnen den Athleten zukommen lassen.

Hamburger Judo-Meisterschaften am Sonnabend in der Alsterdorfer Halle: 26 Frauen und 76 Männer traten in jeweils sieben Gewichtsklassen an. Mit 5.600 Aktiven, darunter 29 Prozent Frauen, zählt Judo in Hamburg zu den Sportarten mittlerer Größe. Die Nachwuchssorgen vieler anderer Verbände teilt der Hamburger Judo-Verband (HJV) nicht: Obwohl Judo keinerlei Selbstverteidigungstechniken im Repertoire führt, sind 80 Prozent der Mitglieder Jugendliche. Die Schulbehörde versucht inzwischen, den Sport aus Fernost über Arbeitsgruppen hinaus als Wahlfach an Schulen anzubieten, da so, wie HJV-Landestrainer Michael Meyer meint, „sicherlich vorhandene Aggressionen positiv kanalisiert werden“.

Bei den Meisterschaften wurde zumindest das Gegenteil nicht bewiesen. Nur vereinzelt mußten leichtere Blessuren mit Tempos oder Pflastern behandelt werden. Sportlicher Höhepunkt war der Finalkampf der Männer bis 71 Kilo, in dem der deutsche Studentenmeister Mark Borchert Hamburgs einzigen Erstliga-Kämpfer Marc Brockmann nach einem Gleichstand in den Wertungen durch Kampfrichterentscheid aufgrund der größeren Aktivität bezwang.

Zum Judo gelangte der 26jährige Borchert 1978 im Zuge der ostasiatischen Welle, die neben Brachial-Star Bruce Lee auch den subtil-moderaten Olympia-Sport populär machte und zahlreiche Judo-Schulen aus dem Boden sprießen ließ. Inzwischen ist Judo fast ausschließlich Vereinssport geworden. Borchert kämpft in der zweiten Bundesliga für Hamburgs führende Mannschaft SC Concordia, die er gleichzeitig auch trainiert. Den Einzeltitel errang er allerdings für seinen Stammverein HT 1816 – solche Doppel-Engagements sind im Judo möglich und verhindern die Abwanderung vieler Talente von den unterklassigen und kleineren Vereinen.

Während Psychologie-Student Mark Borchert seine Karriere langsam ausklingen läßt und als Ziel noch die Qualifikation für die auf acht Teilnehmer beschränkten deutschen Meisterschaften im Auge hat, steht seiner Schwester Kristina die Zukunft noch bevor. Die 18jährige Schülerin, Meisterin bei den Frauen bis 48 Kilo, hat gerade den Sprung in den C-Kader der Sportförderung geschafft. Die angehende Sportstudentin, in der ersten Bundesliga für Polizei Braunschweig aktiv, sieht wie ihr Bruder im Judo zuerst die Freude am Sport, weniger die Berufung zu ostasiatischer Weisheit. Gemeinsam kümmern sich beide um die sechs- bis zehnjährigen NeueinsteigerInnen bei HT 1816.

Auch wenn die meisten KollegInnen sich der Skepsis gegenüber philosophischer Vereinnahmung ohne weiteres anschließen würden: Während der Meisterschaft war die Stimmung unter den GegnerInnen vor und nach den Kämpfen von freundschaftlichem Respekt geprägt, das gegenseitige Schulterklopfen fand auch abseits des Zeremoniells statt. Die familiäre Atmosphäre wurde am Rande abgerundet: An der Zeitnahme saßen NachwuchssportlerInnen, die nach Ablauf der Kampfzeit (Frauen vier, Männer fünf Minuten) durch den gezielten Wurf eines Schals auf die Matte dem Geschehen ein Ende bereiteten.

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