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Tapferstes Rot

■ Der dritte Film über das Massaker am Tiananmen Platz im Jahr 1989: "Das Tor des Himmlischen Friedens" im Forum

Das Massaker am Tiananmen Platz 1989 war von Anfang an gut bebildert. Man hat noch immer die braunstichigen CNN-Bilder im Kopf, und jeder erinnert sich an das zum Ikon der Bewegung gewordene Bild des Studenten im weißen Hemd, der die Panzer für einen Moment anhielt, bis sie ihm schließlich auswichen. Drei Dokumentarfilme sind mittlerweile über das Massaker entstanden: Zuerst „Moving the Mountain“ von Michael Apted, „Guangchang“ (Der Platz) von Zhang Yuan und schließlich „Das Tor des Himmlischen Friedens“ von Carma Hinton und Richard Gordon.

Dieser Film franst die Vorstellung von Protestierenden als einem geschlossenen Bund der Demokratiebewegten erheblich aus. Hatte man schon in „Moving the Mountain“ gesehen, daß die Exilanten der Bewegung in Frankreich und den USA in Reformisten, Kulturchauvinisten, Neokonfuzianisten und Jakobiner zerfallen, sieht man hier, tagebuchförmig aufgezeichnet, wie schon im ehern auf das Massaker zumahlenden Lauf der Ereignisse Fraktionierungen entstehen und betoniert werden.

Während „Moving the Mountain“ mit seinem schwärmerischen Porträt des radikalen Aktivisten Li Lu das Thema eindeutig heroisch behandelt, bevorzugen Carma Hinton und Richard Gordon die tragische Variante: Bei ihnen kommen die Moderaten zu Wort, die den Revolutionären Verantwortungslosigkeit vorwerfen: Man hätte eher verhandeln, eher beruhigen und vor allem die Leute viel, viel eher vom Platz und in Sicherheit bringen sollen.

Der dritte Film ist der einzige aus China und womöglich filmisch der genialste: „Der Platz“ erwähnt das Massaker mit keinem Wort und zeigt anderthalb Stunden lang den Platz in den Jahren danach: Volksaufmärsche, Polaroids-schießende Landtouristen, und nur ab und an sieht man, wie ein Teenager auf einem Skateboard auf eine Gruppe von Soldaten zufährt – und hält den Atem an.

„Das Tor des Himmlischen Friedens“ zeigt nicht nur Bilder von 1989, sondern auch von den Studentenprotesten 1919 und von der Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949. Dabei geht auch das Ornamentale nicht verloren: Der Pekinger Frühling erstrahlt im tapfersten Rot und Kinder sagen in Fernsehkameras, sie wünschen sich den Tag herbei, an dem die Wissenschaft endlich so weit wäre, daß sie ein Jahr ihres Leben spenden könnten, damit der Vorsitzende länger zu leben habe.

Hinton ist in China aufgewachsen. Mit Gordon und einem Stab von freundlichen Experten hat sie versucht, die Ereignisse in einem historischen Zusammenhang zu stellen, der den Geniekult von „Moving the Mountain“ sofort den Wind aus den Segeln nimmt. Sie wollten nicht Partei ergreifen, hatten die beiden Filmemacher der New York Times erklärt, aber sie tun es natürlich doch, und warum auch nicht, wenn man sieht, wie's passiert. Es ist die Partei von Zhao Zhiang, der seine Position als Generalsekretär verlor, nachdem er gegen die brutale Niederschlagung votiert hatte und der seither mehr oder weniger unter Hausarrest lebt.

Hinton und Gordon organisieren ihr Material topographisch: Der Tiananmenplatz war einst Sitz des kaiserlichen Governements. Acht Jahre nach dem Fall des Reichs, im Mai 1919, protestierten dort Studenten gegen eine korrupte chinesische Regierung, die Teile des Landes im Versailler Vertrag aufgegeben hatte. Wissenschaft und Demokratie sollten die Rettung bringen. Und 1989, zum Jahrestag der Bewegung am 4. Mai, als alle bereits auf dem Tiananmen Platz versammelt waren, ruft Chai Ling, die sich im CNN-Interview als „Commander-in- Chief“ vorstellte, zum Ausharren auf (sie selbst plante allerdings nicht, auf dem Platz zu bleiben).

Diese Frau hat eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht: Im CNN-Interview trägt sie, die man damals „Göttin der Demokratie“ (!) nannte, fast ständig weinend und schluchzend ihre Durchhalteparolen vor. In „Moving the Mountain“ sieht man sie als Princeton-Absolventin einige Zeit später, ausgesprochen gut englisch sprechend und sehr viel moderater über die Ereignisse nachdenkend.

An ihr will „Das Tor“ demonstrieren, daß die Studenten von ihrer kommunistischen Erziehung her so sehr einer romantisierend- heroisierenden Vorstellung von Politik anhingen, daß ihnen individuelles und demokratisches Denken einfach schwer fielen. Das gipfelt in Chai Lings schluchzend und zuguterletzt, als die Armee schon in die Stadt zog, CNN gegenüber gemachtes Geständnis: „Ich kann diesen Leuten doch nicht sagen, daß wir es auf ein Blutvergießen gerade anlegen, weil nur wir wissen, daß man China sonst nicht retten kann...“

„Das Tor des Himmlischen Friedens“ hat diesen Punkt wohlgesetzt, aber leider auch ein bißchen zu sehr aufgeblasen. Ian Buruma wandte deshalb in der New York Review of Books ein: „Bedenken Sie, daß die Studenten sich bis zuletzt weigerten, Gewalt zu benutzen. Das unterschied sie von den Rotgardisten, mit denen sie hier verglichen werden. Sie wollten die Regierung nicht stürzen...“

Schon möglich, daß die Bewegung mehr erreicht hätte, wenn es Kontakte zwischen den gemäßigten Parteiflügeln und den moderaten Studenten gegeben hätte. Aber daran den ganzen Erfolg zu messen, heißt, die Intentionen der Bewegung vom Tiananmen Platz zu verkennen: Sie wollten ja gerade nicht, wie Buruma schreibt, „mit der einen oder anderen Fraktion Spielchen spielen. Der Tiananmen Platz hatte, wenn man so will, seine Unabhängigkeit erklärt.“ Mariam Niroumand

„Das Tor des Himmlischen Friedens“, USA 1995, 180 Min., Regie: Carma Hinton/Richard Gordon

Heute, 13 Uhr im Delphi und 18.30 Uhr im Kino 7, morgen um 19 Uhr im Arsenal, am 26.2. um 12 Uhr in der Akademie der Künste

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