: Intendant auf dem Weg zum Kadi
■ Pierwoß will auf Einhaltung des Theatervertrages klagen – sein Aufsichtsrat läßt ihn hängen
„Der Aufsichtsrat möchte diesen Konflikt für beendet erklären“ – Klaus Pierwoß nicht. Jetzt macht der Intendant des Bremer Theaters Ernst mit der Klage gegen die Stadt: „Ich bin dabei, den juristischen Weg zu beschreiten“, erklärte er gestern auf Anfrage der taz, „und ich werde damit nicht warten, bis das Parlament im Sommer abschließend über den Haushalt entscheidet.“ Damit reagiert Pierwoß nicht nur auf die drohende Streichung von Subventionen, sondern auch auf das Verhalten des Aufsichtsrates der Theater GmbH. Dieser stimmte auf seiner jüngsten Sitzung dem Sparbeschluß der Kulturdeputation zu – und zwar einstimmig. Mit diesem Votum setzt sich das Gremium deutlich über die heftigen Proteste des Intendanten und auch des scheidenden Geschäftsführers Rolf Rempe hinweg. Pierwoß hatte den Sparbeschluß zuvor als „faulen Kompromiß“ bezeichnet. Demnach soll sein Haus, entgegen der vertraglichen Zusicherungen seitens der Stadt, rund 2,2 Millionen Mark in diesem und dem nächsten Jahr einsparen.
Außerdem will der Aufsichtsrat eine Kommission ins Leben rufen, die innerhalb eines Jahres Vorschläge für eine weitreichende Strukturreform am Bremer Theater erarbeiten soll. Klares Ziel: ein noch härterer Sparkurs. Auch das Bremer Publikum wird die Folgen des Beschlusses umgehend zu spüren bekommen. Um zehn Prozent sollen die Eintrittspreise angehoben werden, auf allen Plätzen, in allen Sparten. Auch das ein Beschluß des Aufsichtsrates. Schließlich sind die Lücken im Theaterhaushalt schon absehbar, die durch die Sparauflagen des Senats drohen. Durch langfristige Verpflichtungen und Engagements ist eine Unterdeckung bereits in diesem Jahr zu erwarten, wie Verwaltungsdirektor Rempe vor Wochen öffentlich erklärte. Der Gang zum Konkursrichter sei dann „eine Frage der Zeit“.
„Man sieht keine Alternative zum Beschluß der Kulturdeputation“, kommentierte Rainer Köttgen, der als Hauptabteilungsleiter des Kulturressorts die Sitzung begleitete, gestern die Entscheidung des Aufsichtsrates. So folgte das Gremium dem Beschluß der Politiker, namentlich der Kultursenatorin Bringfriede Kahrs, und nicht dem Drängen des Theaterintendanten. Dem wird zwar bescheinigt, daß er gemeinsam mit dem Ensemble „einen neuen Aufschwung des Bremer Theaters geschaffen hat“. Gleichzeitig aber, so der offizielle Beschlußtext, wird Pierwoß aufgefordert, bei seiner Planung für die nächsten Spielzeiten „die im laufenden Haushaltsverfahren getroffenen politischen Entscheidungen für den Doppelhaushalt 1996/97 zugrunde zu legen.“ Eine Aufforderung, der sich Pierwoß verweigern will: „Ich bereite die nächsten Spielzeiten nach Maßgabe meines Vertrages vor“ – und der sah für 1996 eine dreiprozentige Steigerung gegenüber der Vorjahressumme (41.769.790 Mark) vor. So hatten es Pierwoß und die vormalige Kultursenatorin Helga Trüpel vor zwei Jahren ausgehandelt.
Zweifel hegt Pierwoß auch an der kurzfristigen Wirksamkeit der angepeilten „Strukturreform“. Zu sparen sei an diesem Theater nichts mehr, „höchstens, wenn man ganz neue Tarifstrukturen erreicht“. Gleichzeitig warnt Pierwoß vor „illusionären Vorstellungen, wie billig gutes Theater zu machen ist“. Pierwoß hat da seine Erfahrungen: Über Strukturreformen am Theater diskutierte er seit 1991 in einer entsprechenden Arbeitsgruppe der Dramaturgischen Gesellschaft. Er erinnert daran, wie ein „runder Tisch“ des Bühnenvereins zum gleichen Thema bereits in der zweiten Verhandlungsrunde zum Stillstand kam – „weil die Teilnehmer nur noch die Situation von Tarifverhandlungen reproduziert haben.“
Dennoch wird auch in Bremen nun eine Kommission zur Strukturreform eingesetzt. Den Vorsitz führt Ulrich Fuchs, Dramaturg am Goetheplatz. Fünf externe Fachleute und sechs interne sollen unter seiner Leitung die Zukunft des Bremer Theaters diskutieren. Die Vorlage lieferte wiederum das Kulturressort, namentlich Rainer Köttgen. Ziele: „Maßnahmen zur Einsatzoptimierung und Strukturanpassung im Bereich des künstlerischen, technischen und administrativen Personals“; „Aufwandsverminderung“ in „Technik, Logistik und internen Diensten“ – sprich: „die Quadratur des Kreises“, wie Pierwoß meint. Und in noch einem Punkt hat der Aufsichtsrat in Pierwoß' Augen versagt: Rolf Rempe wird definitiv als Verwaltungsdirektor ausscheiden, spätestens zum Jahresende. Auch hier beschloß der Aufsichtsrat, eine Kommission einzusetzen. Sie soll einen Nachfolger besorgen. Aber das kann dauern, ahnt Pierwoß: „Einen guten Verwaltungsdirektor zu finden, ist noch schwerer, als einen guten Intendanten zu finden.“ tw
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