■ Urdrüs wahre Kolumne: Walter in den Mickymausclub
Auch ich war einst ein Jüngling im lockigen Haar und hatte in der Grundschule einen Klassenkameraden na-mens Udo Fastmann, der den Vorzug genoß, als einziger über ein Abonnement der Zeitschrift Micky Maus zu verfügen und deshalb automatisch zum Präsidenten unseres „MMC Klippenturm“ avancierte, wäre doch jede Opposition dagegen mit einem Entzug der Lesekarte für die Clubbücherei bestraft worden. Und dieser Udo hielt uns an, regelmäßig über seine durchaus nicht vorhandenen guten Taten an bettlägerigen Opas und mit der Nuckelflasche aufzuziehenden Rehkitze verlogene Berichte zu erstatten gegenüber jener Kommission, die im deutschen Disney-Imperium für die Auszeichnung pickelhäutiger Jungmänner mit der Clubnadel zuständig war. Irgendwann war dies Bemühen von Erfolg gekrönt, und es gab den Orden, und dies Wissen bringt uns vermutlich im aktuellen Fall „Großes Bundesverdienstkreuz für Walter Kempowski“ auf die richtige Spur. Donnerwetter tadellös. Glückwunsch, Walter!
t
Wer Urlaub machen möchte, aber als maroder Vulkanese oder hoffnungslose Raketenbäuerin bei der DASA mit 27-jährigen Tilgungsraten für das Fertighaus von Konsul Karlchen Grabbe an den Hacken kein Geld dafür hat, dem bietet der Ferienclub Lüneburger Heide jetzt einen Ausweg aus der Not. Unter dem Motto „Muskelkraft, die Urlaub schafft“, kann sich dort ein jegliches Paar gegen nur vier Stunden täglich in froher Gemeinsamkeit mit Unkrautzupfen, Hühnerstallausmisten, Heu abladen oder Fuhrparkpflege beschäftigen und darf dafür samt junger Brut kostenlos (!) wohnen. Und wenn die lieben Kleinen vielleicht noch Strohmatten flechten oder den noch sicher in Lohn und Brot stehenden Miturlaubern Brötchen und die Zeitung vorbeibringen und Schuhe putzen, dann gibt's vielleicht für alle eine Tüte Pommes rot-weiß. Freizeit Park Deutschland. Arbeit macht frei.
t
In der Obernstraße hält eine Frau mit unglaublichem Blümchenhut den „Wachtturm“ feil. „Mal was Interessantes zum Lesen mitnehmen, junger Mann?“ lockt sie uns frontal aus der Reserve, und schon ist das Heft gekauft. Nach dem Einstieg in die Linie 3 vertiefen wir uns in die Lektüre, bis auf einmal ein Vernunftsmensch dazutritt und uns belehrt, daß dieses Blatt von einer undemokratischen Sekte komme und daß man sich bitteschön nicht verführen lassen solle und was dergleichen unerbetene Belehrung zur Wiedererlangung geistiger Freiheit mehr ist. Bis wir ihm Einhalt gebieten mit den Worten „Halt's Maul, Inquisitor!“ Soweit zum aktuellen Tiefstand der Aufklärung in diesem Lande.
t
Da ich in den letzen Tagen mit meiner kurdischen Volkstanzgruppe allüberall auf reichsdeutschen Autobahnen gastierte, kam ich noch nicht dazu, mich bei den sympathischen Menschen subversiver Grundhaltung zu bedanken, die mir bislang bar, durch Scheck und per Überweisung über 800 DM zukommen ließen, um mich über den 1.051 Mark Schaden hinwegzutrösten, der mir durch die Strafsache Trappman wg. Verleumdung als Leiter des hiesigen Ausländeramtes entstand. Ich liebe euch und erinnere auf Wunsch eines Hörfunkredakteurs aus Bremen an meine private Kontonummer 086 124 732 bei der Landessparkasse zu Oldenburg: Gott segne die edlen SpenderInnen!
t
Noch mehr am Herzen aber liegt mir die Richtigstellung einer Aussage in der vorigen Ausgabe dieser wahren Kolumne: Rabiate Kürzungen einer mutmaßlich über Gebühr gestressten oder völlig bekifften RedakteurIn am Setzkasten unterschoben mir die Empfehlung an das lesende Publikum, Soldaten auch künftig nicht Mörder zu nennen. Hierzu gehört aber unbedingt die ergänzende Feststellung aus dem Hausschatz anarchistischer Militarismuskritik, daß ich mir jederzeit von so netten Meschen wie Montserrat Caballe, Klaus Pierwoß oder auch mir selbst vorstellen kann, in heißem Zorn und mit kalter Wut aus diesem oder jenem Grunde einen anderen zu ermorden. Dieses engagierte Tun und hoffentlich doch besser Lassen unterscheidet uns gerade vom dumpfen Pragmatismus jener uniformierter Schießprügelexterminatoren, die für das Töten unmündiger Kinder und würdiger Greise im Fall des Falles keinen anderen Grund brauchen als das „Bello faß“ ihres Hundestaffelführers.
Ulrich Reineking etc.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen