■ Grüne in NRW sollten nicht zu früh über die FDP lachen
: Möllemann macht auf Reformer

Nacht muß es sein, wenn Möllemanns Sterne strahlen. Mit dieser Anleihe bei Schiller suchen die innerparteilichen Gegner den überraschenden Wiederaufstieg von Jürgen Möllemann zum FDP-Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen zu erklären. Ganz falsch sind solche Deutungsversuche nicht, doch sie verdecken mehr, als sie erhellen.

Möllemann hat die Karte des Medienprofis, der auch als Alleinunterhalter die FDP ins Gespräch zu bringen weiß, erneut souverän gespielt. Aber nicht ohne ein neues politisch-inhaltliches Fundament, nicht ohne eine liberale Botschaft. Und die klingt so: Die FDP ist die „einzige entschlossene Reformpartei“, sie kämpft gegen die bewegungsunfähigen „Populisten in den drei sozialdemokratischen Parteien SPD, Grüne und CDU“.

Möllemann als Reformer? Da lacht die ganze Republik. Bisher galt Möllemann als das Paradebeispiel für jenen Politikertyp, der keine politischen Grundsätze hat, aber alles macht und nur ein Ziel kennt: die Förderung der eigenen Karriere. Und weil er dabei besonders rücksichtslos vorgeht, adelte ihn seine Parteifreundin Irmgard Schwaetzer einst sogar zum „intriganten Schwein“. Doch zu Möllemann gehört auch, daß er Zeitströmungen riecht und gesellschaftliche Stimmungen aufzunehmen imstande ist. Und da wird es politisch interessant. Im Schlepptau von FDP-Generalsekretär Westerwelle ist Möllemann dabei, die FDP als jene Kraft zu positionieren, die für liberale Modernität und politische Beweglichkeit steht. Ob es gelingt, mit diesem Kurs die FDP langfristig wieder als eine eigenständige politische Kraft des organisierten Liberalismus zu etablieren, steht dahin. Doch den Versuch sollten vor allem die Grünen ernst nehmen – auch unter machtpolitischen Aspekten.

Strategisch stehen die Grünen nach den FDP-Erfolgen bei drei Landtagswahlen auch in NRW schlechter da. Zwar verkünden einige grüne Abgeordnete in internen Papieren schon wieder unerschrocken „Die SPD braucht uns mehr als wir sie“, doch die Wahrheit sieht anders aus. Sollte das rot- grüne Bündnis tatsächlich in nächster Zeit brechen, ist nach der Wahl von Möllemann eine sozialliberale Koalition wahrscheinlicher als jede andere politische Konstellation. Wer bei den Grünen glaubt, diese veränderte Lage durch starke Sprüche verdrängen zu können, wird vielleicht ein böses Erwachen erleben. Walter Jakobs