■ PKK-Chef Öcalan gibt sich versöhnlich – ein Bluff?
: Beim Wort nehmen

Der große Führer hat gesprochen – und sich dabei glatt selbst widersprochen. Die Worte, die PKK-Chef Abdullah Öcalan in das ZDF-Mikrofon sprach, sind so ziemlich das Gegenteil von dem, was er erst vor wenigen Wochen der Süddeutschen Zeitung und der Zeit erzählte. Ein billiger Bluff? Oder eine politische Spitzkehre?

Man mag grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des PKK-Generalsekretärs haben, politisch macht die Kurskorrektur Sinn: Die PKK kommt im Osten der Türkei militärisch immer mehr unter Druck, das in den Nahost-Friedensprozeß eingebundene Syrien und der zunehmend selbständig werdende Libanon taugen immer weniger als Rückzugsgebiete, und bei anderen kurdischen Organisationen gerät die PKK wegen ihrer Brachialstrategie zunehmende in Mißkredit. Den kurdisch-türkischen Konflikt nach Deutschland zu tragen, kann sich die Organisation schon aufgrund ihrer begrenzten Kapazitäten derzeit gar nicht leisten. Wesentlich attraktiver als ein zweiter Kriegsschauplatz ist für die PKK ein ruhiges Hinterland mitten in Europa.

Öcalan erhofft sich in Deutschland ähnliche Verhältnisse für seine Organisation, wie sie beispielsweise in Belgien oder den Niederlanden existieren. Dort kann die PKK ganz ungestört Büros unterhalten, zu Kongressen laden und ein von ihr dominiertes „kurdisches Parlament“ wählen lassen. Der Handel ist so einfach wie wirkungsvoll: Die entsprechenden Regierungen lassen die PKK in Ruhe, und dafür läßt die PKK sie in Ruhe.

Ähnliche Verhältnisse in Deutschland sind für Öcalan jedoch ungleich attraktiver. Immerhin leben hier mit Abstand die meisten türkischen Kurden außerhalb Anatoliens. Deutsche Politiker, die daran interessiert sind, daß es beim nächsten kurdischen Neujahrsfest in Deutschland nicht ähnlich zugeht wie in Türkisch-Kurdistan, sollten Öcalan jetzt beim Wort nehmen.

Das setzt jedoch voraus, daß deutsche Polizisten bei Demonstrationen nicht auf jeden PKK-Wimpel reagieren, als handele es sich um eine Kalaschnikow. Auch das PKK-Verbot sollte vorbehaltlos überdacht werden. Sonst gibt der große Vorsitzende bald das nächste Interview – und widerspricht sich womöglich noch einmal. Thomas Dreger