: Am Rand des kardiovaskulären Kollapses
■ Im Zoo und der freien Wildbahn bestimmt das weibliche Geschlecht, wo's langgeht. Und wenn der Mensch eingreift, gibt sich das Weibchen dem nächstbesten hin.
Die Froschmänner haben es derzeit verdammt schwer. So richtig heiß auf eine Fröschin läßt diese sie, wie man vielerorts hört, gnadenlos quaken. Tagelang und in äußerster Lautstärke, bis die glubschäugigen Gesellen, wie es vor Jahren einmal in einem Hamburger Nachrichtenmagazin zu lesen war, „am Rand des kardiovaskulären Kollapses“ stehen. Dann erst geht es zur Sache. Wobei nur der Frosch darf, der lauter als jeder andere in der Lage ist, seine „Vox copuli“ ertönen zu lassen.
Damenwahl ist angesagt. Da kann das Kopulieren auf Straßenkreuzungen oder zwischen parkenden Autos für Hunde oder Kaninchen noch so gefährlich sein, es ändert nichts am Prinzip, das schon Charles Darwin 1872 nach Beobachtungen von niederem und höherem Getier beschrieb.
Die sexuelle Hoheit liegt auch im Großstadtdschungel beim Weibchen. Denn sein Organismus benötigt, um Eier reifen zu lassen, deutlich mehr Energie als bei den Männchen zur Produktion von Sperma erforderlich ist. Ergo, da das Weibchen erheblich mehr in die Fortpflanzung investiert, ist es bestrebt, nur den Mann an sich heranzulassen, der am fittesten ist. Keine Spur also von Eroberung und passiver Rolle der Frau, die ihr etliche Biologen und Verhaltensforscher in der Vergangenheit nachsagten. Beim Konkurrenzkampf der Männchen geht es einzig und allein darum, sich als möglichst einziger Partner dem Weibchen darzubieten. Die Frau entscheidet.
„Die ersten Ethologen waren Männer, und als männliche Forscher sahen sie eben meist nur, was sie sehen wollten“, unterstreicht Diplombiologe Heiner Klös, Kurator der wissenschaftlichen Abteilung des Zoologischen Gartens Berlin, diese Erkenntnisse. Erst als sich zunehmend Frauen in der Verhaltensforschung etwa bei den Primaten profilierten, wurde deutlich, wer im Tierreich wen beherrscht.
Ausgeprägte Formen matriarchalischen Zusammenlebens im Sinne der Existenz einer Königin oder Anführerin sind jedoch nicht nur im Berliner Zoo selten. „Vielleicht kann man den Zusammenhalt der Weibchen in einer Kerngruppe zum Beispiel bei den Löwen als matriarchalisch beschreiben. Die verwandten Weibchen bleiben dort zusammen und wechseln nur alle paar Jahre die Männchen aus.“ Ähnlich, so Klös, sei es bei den Elefanten: Die Männchen werden nur zur Paarung zugelassen.
Robben dagegen ist, da sie nur während der Fortpflanzungsphase aufs Land ziehen, ein solcher Zusammenhalt fremd. Ein Bulle monopolisiert während der Paarungszeit zwar eine Gruppe, „aber auch das ist genaugenommen nur ein Zweckbündnis“, meint Heiner Klös. Selbst Strukturen, die auf den ersten Blick wie ein Harem erscheinen, sind keineswegs patriarchalisch bestimmt. „Die Männchen sind oftmals nur aus Verteidigungsgründen genehmigt.“
So gesehen ist auch „Henry“ ein armes Schwein. Als einziger Mann von fünf chinesischen Maskenschweinen, die der Tierpark Friedrichsfelde vor kurzem aus Warder in Schleswig-Holstein erhalten hat, steht ihm kurz oder lang die Rolle zu, Vater des ersten „hauseigenen Wurfes“ zu werden.
Richtig wild darauf, ihre eigenen Gene fortzupflanzen, sind dagegen die Hulmänner. „Die töten sogar die Kinder ihrer Artgenossen, damit ein Weibchen schnell wieder heiß wird und sie sich fortpflanzen können.“ Ganz anders dagegen einige Krallenaffen, die als lebenslange Pärchen auch im Berliner Zoo leben. Sie bringen zweimal im Jahr Zwillinge zur Welt, und obwohl die Erstgeborenen bereits geschlechtsreif noch als Helfer in der Familie bleiben, sind sie für den Affenvater sexuell vollkommen uninteressant. Fazit: Wer wie von wem abhängig ist, will durchaus noch ein wenig erforscht werden, berichtet Heiner Klös.
Und Durcheinander gibt es schließlich immer nur dort, wo der Mensch seine Hand im Spiel hat. Dann ist trotz Überlegenheit nichts mehr zu retten. Das Weibchen gibt sich – offenbar aus Mangel an Gelegenheit – dem Erstbesten hin, der ihr eines Tages über den Weg läuft. Der Beweis: Die ständig in der Wohnung lebende Siamkatze eines Freundes. Sie entwich letzte Woche unbemerkt, als Gäste nach der Geburtstagsparty die Haustür offen gelassen hatten. Bevor das veredelte Tier zwei Tage später bei Nachbarn aufgefunden wurde, hatte es die Wege eines buntgestreiften Straßentigers gekreuzt und seine Unschuld verloren. Ergebnis: Die Katze wurde sterilisiert. Kathi Seefeld
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