: Und Kohler schoß sein erstes Tor
■ Ziemlich mitleidlos mit 9:1 besiegte das deutsche Fußball-Team in einem Benefiz-Länderspiel die von Dietrich Weise betreute Auswahl Liechtensteins
Mannheim (taz) – Mitte der zweiten Halbzeit, als der 18 Jahre alte Liechtensteiner Marco Perez vom FC Vaduz in seinem ersten Länderspiel das Tor seines Lebens erzielt hatte, war im Benefiz-Länderspiel längst alles klar. 7:1 stand es für das deutsche Team, und über den Lautsprecher wurde der fürstliche Busfahrer aufgefordert, sein Gefährt mit dem Kennzeichen FL wegzufahren. Es stand im Weg.
Zu dieser Zeit ging eine Welle nach der anderen durch das Carl- Benz-Stadion, in dem Waldhof Mannheims Fans nachwiesen, daß sie die schlechtesten aller Ligen sind. Immer noch freudetrunken ob des Abstiegs ihres Lieblingsfeindes 1. FC Kaiserslautern, pfiffen sie beharrlich den Ex-Lauterer Stefan Kuntz aus. In der 53. Minute geschah dann Wundersames: Jürgen Kohler, einst ausgezogen von der linken Rheinseite nach Mannheim und unter Klaus Schlappner zum Nationalspieler geworden, schoß in seinem 83. Länderspiel sein erstes Tor. Fortan war er zumindest bei den Waldhöfer Fans „der beste Mann!“
Gerne hätten die schwarzrotgoldenen Fahnenschwenker einen zweistelligen Sieg gegen Liechtenstein gefeiert, es war sogar von einem Überbieten des Rekord-Ergebnisses aus Fußball-Urzeiten, dem 16:0 gegen Rußland am 1. Juli 1912 beim Olympischen Fußballturnier in Stockholm die Rede. Doch Dietrich Weise, der Coach der Rot-Blauen, hatte nur ein Ziel: anständig spielen und nicht untergehen! Dafür sorgte vor allem Torhüter Martin Heeb, ebenfalls vom FC Vaduz, den der ehemalige Bundesligatrainer (Eintracht Frankfurt, 1. FC Kaiserslautern) sogar seinem Kollegen Klaus Schlappner ans Herz legte.
Aber Liechtensteins Fußball tritt auf der Stelle. Zwar ziehen Weise und sein Präsidium an einem Strang, doch die Spieler lassen es zuweilen recht locker angehen. Zwei der Besten sagten für das Länderspiel ab, weil sie mit ihrem Schweizer Club um den Aufstieg in die höchste Amateuerklasse spielen. „Da bin ich doch ein wenig enttäuscht“, sagt Weise, der sich in seinem Alter eigentlich nicht mehr ärgern will.
Berti Vogts freute sich über das 9:1 wie ein Schneekönig. Und lüftete ein Geheimnis: Sonntag früh will er entscheiden, wer – Kuntz, Bierhoff oder Bobic – gegen Tschechien auf die Bank muß. Um ihnen allen sein Maß zu zeigen, wechselte er 13 Minuten vor Schluß Jürgen Klinsmann ein, der prompt demonstrierte, wie man's macht: Nur neun Minuten im Match, machte er das 8:1, nachdem das Spiel einige Zeit nur noch dahingeplätschert war. Kuntz tat es ihm in der Schlußminute nach. Da war es dem Schweizer Schiedsrichter Müller dann doch zuviel. Er pfiff ab und rettete die Liechtensteiner vor Tor Nummer zehn. Günter Rohrbacher-List
Liechtenstein: Heeb - Hasler - Hilti, Jürgen Zech - Klaunzer (59. Ospelt), Perez (83. Marxer), Harry Zech, Mario Frick (76. Sele), Franz Schädler - Harry Schädler, Daniel Frick (61. Telser)
Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Möller (4.), 2:0 Kuntz (18.), 3:0 Bierhoff (22.), 4:0 Ziege (38.), 5:0 Sammer (48.), 6:0 Kohler (53.), 7:0 Möller (64.), 7:1 Perez (69.), 8:1 Klinsmann (86.), 9:1 Kuntz (90.)
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