: Hätte man selbst drauf kommen können
■ Innensenator Borttscheller war nebst Gefolge für 15.000 Mark in New York / wenig Neues gelernt erfahren
New York ist eine Reise wert – das meint jedenfalls Innensenator Ralf H. Borttscheller (CDU). Sechs Tage lang war er mit einer siebenköpfigen Delegation in der Metropole am Hudson River unterwegs, um das Erfolgsrezept von Polizeichef William J. Bratton zu ergründen. Nach dem Amtsantritt Brattons 1994 war die Kriminalitätsrate der 8,5 Millionen Stadt um 27 Prozent gesunken (Mord: minus 37 Prozent, Raubüberfälle: minus 31 Prozent).
„Die Reise hat ihren Zweck erfüllt“, resümierte Borttscheller gestern. Die Delegation (neben einem Vertreter der Wasserschutzpolizei, einem Polizeioberrat und einem Kriminaldirektor war u.a. auch Borttschellers Leibwächter mit von der Partie) habe auf der rund 15.000 Mark teuren Dienstreise „Eindrücke“ gewonnen und das Erfolgsgeheimnis Brattons gelüftet: „Nicht wegschauen - sondern hinschauen, nicht reagieren – sondern agieren“, heiße das Motto der New Yorker Polizei. „Schlicht“, kommentierte Borttscheller diesen Leitsatz selbst. Dennoch will er diese „Philosophie“ den Bremer Polizisten jetzt nahebringen – in „Gesprächen“.
Und das ist alles, wollten die Journalisten wissen? Nein, auch in punkto Drogenpolitik habe er in New York viel gelernt, betonte Borttscheller. Polizeipräsenz sei wichtig. Deshalb werde er die Razzien auf dem Bahnhofsvorplatz „weiter intensivieren“. So würden auch die Dealer in New York aus den Stadtteilen verdrängt (Police Strategy No. 5). Das steht allerdings auch schon in dem Artikel der Sunday Times vom August des vergangenen Jahres. Und noch etwas ist dort zu lesen: Bratton gibt zu, daß er den Polizisten die Jagd nach Dealern erschwert hat – die Dealer verziehen sich in Häuser: „It makes things much more difficult for the police. The street arrests are easy. Going indoors is complicated.“
In New York sei auf den Revieren die „Verantwortung delegiert worden“, referierte Borttscheller weiter. Erfolgsbilanzen hielten die Beamten auf Trab (auch das wird in dem Artikel ausführlich beschrieben). Die Beamten müssen wöchentliche „Reports“ abgeben. Ein Mal im Monat findet eine Dienstbesprechung statt. Ein Revierleiter, der zu wenig Kriminelle fängt, fliegt. Hierzulande sei das natürlich nicht drin. „Ich habe gelernt, daß es mit dem deutschen Beamtenrecht schwer ist, Dinge zur Zufriedenheit der Bürger zu ändern“, resümierte Borttscheller.
Das gelte auch für die Ausbildung von Polizeibeamten. In New York würden die Männer und Frauen in 21 Wochen für den Streifendienst ausgebildet. Hierzulande koste die Ausbildung eines Polizisten 150.000 bis 200.000 Mark. „Aber da schreit hier natürlich jeder GDP-Vertreter (Gewerkschaft der Polizei) auf.“
Doch trotz solcher Schwierigkeiten will Borttscheller Konsequenzen aus der Reise ziehen: Das Sondereinsatzkommando der Schutzpolizei und das Mobile Einsatzkommando der Kripo sollen eventuell zusammengelegt werden (Stichwort: Zentralität). Für 1,5 Millionen Mark sollen Bremens Polizisten mit neuen Computern ausgerüstet werden (die New Yorker haben ein Programm, das Kriminalitätsbilder einzelner Stadtteile anzeigt).
„Und dafür mußten Sie nach New York fahren“, will ein Journalist von Borttscheller wissen. „Nun ja“, antwortet der Senator. „Ich habe keine Rezepte mitgebracht, auf die man nicht auch hätte selbst kommen können.“ kes
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