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Parkplätze zu Biergärten konvertieren

■ Für einen Kneipenstuhl im Freien müssen fünf Ämter durchlaufen werden / Bausenator Schulte will Gastrono-mie in den Straßen künftig großzügig genehmigen

Die Sonne ist da, der Schweiß läuft in Strömen, der Durst ist riesig. Doch noch immer findet der überhitzte Bremer kaum einen Gaststätten-Tisch im Freien, an dem Erfrischung gegen Bares zu haben wäre. Der Grund: Allein fünf Behörden muß ein „Antrag auf Genehmigung von Freisitzen vor Gaststättenbetrieben“ – wie es im Amtsdeutsch heißt – durchlaufen. Und selbst ein Wirt, der sich auf diese Odyssee einließ, hatte bisher selten Erfolg. Denn bevor der Antrag beschieden ist, hat sich die Sonne längst wieder aus Bremen verzogen. Und für die nächste Saison ist ein neuer Antrag fällig.

Diese Verhältnisse wirken sich negativ auf „Erscheinungsbild der Straßen, Aufenthaltsqualität und Attraktivität“ aus, hat jetzt Bausenator Bernt Schulte (CDU) erkannt. Und umgehend eine „Richtlinie zur Erleichterung der Genehmigung von Freisitzen vor Gaststättenbetrieben“ erlassen. Geradezu atemberaubend schnell haben die beiden zu beteiligenden Senatskollegen sowie der Beirat Mitte/Östliche Vorstadt – sogar einstimmig – ihre Zustimmung erteilt.

Sollten sich die Genehmigungsbehörden an die Richtlinie halten, besteht berechtigte Hoffnung für durstige Freiluft-Bremer. Statt eines formvollendeten Bauantrags aus der Feder eines zugelassenen Architekten sowie einer saftigen Gebühr sollen Kneipen künftig ziemlich unbürokratisch an Tisch-Stellplätze auf dem Gehweg kommen. In strittigen Fällen soll die Genehmigung – eine Revolution im Verwaltungswesen – sogar von den beteiligten Behörden direkt vor Ort besprochen und entschieden werden. Stadtamt, Polizeipräsidium, Feuerwehr und Ortsamt stünden den Wirten leiblich gegenüber. Im Zweifel soll die Genehmigung „zunächst großzügig und probeweise“ ergehen, erst bei Beschwerden soll sie überprüft werden.

Und nicht nur das: Schulte möchte sogar Parkplätze an den Straßenrändern für die Gastronomie freigeben. Vor allem an Ostertorsteinweg und Vor dem Steintor warten viele Kneipen seit Jahren auf diese Chance. Das „Saxophone“ will Pionier spielen und Tische und Stühle auf Paletten aufstellen, die den Bürgersteig um zwei Meter verbreitern.

Und dann gibt es noch die Idee mit der Bewirtung von Freiflächen auf der den Gaststätten gegenüberliegenden Straßenseite. Bisher hatte in Bremen einzig und allein die kleine Eisdiele Panciera am Ostertorsteinweg dieses Privileg. Und das nur, weil der frühere Ortsamtsleiter Herbert Wulfekuhl so mit diebischer Freude seinem ungeliebten privaten Nachbarn, dem Besitzer des „Engel“ und bisherigen Alleinherrscher über den Freiluftkonsum auf dem Ostertormarkt, einen Konkurrenten vor die Nase setzen konnte.

Künftig sollen Kellner ihre gefüllten Tabletts auch über andere Straßen balancieren. Im Gespräch ist vor allem die Schlachte. Dort könnten die Gäste auf der Weserseite mit Flußblick von der sich langsam vermehrenden Gastronomie in den alten Handelshäusern bewirtet werden. Eigentlich sollte die Schlachte ja Fußgängerzone werden und das Aufstellen von Tischen und Stühlen damit in voller Breite eine Selbstverständlichkeit. Doch beim Wirtschaftssenator möchte man auch weiterhin gerne mit der Stinkblechkiste direkt an den Arbeitsplatz rollen. Und so scheint die Kellner-Querungslizenz jetzt ein möglicher Kompromiß zwischen den beiden CDU-geführten Ressorts für Bau und Wirtschaft.

Ase

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