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Keine Milde für den ungerührten Priebke

Wegen der Geiselerschießungen von 1944 fordert die Militärstaatsanwaltschaft lebenslänglich gegen den ehemaligen SS-Mann Erich Priebke. Doch der Prozeß kommt noch einmal ins Stocken  ■ Aus Rom Werner Raith

„Ungerührt“, sagt Carlo Mazella, „völlig ungerührt ist der. Schau ihn dir nur an.“ Mazella schreibt für mehrere Agenturen, und das Wort „ungerührt“ gehört da schon zum Standard: Ungerührt sei der Mann, auch wenn die Hinterbliebenen der Opfer im Zeugenstand weinend zusammenbrechen; ungerührt, wenn Zeugen berichten, wie man die Geiseln aus den Häusern und den Hospitälern geholt hat.

Es geht um Erich Priebke, ehemaliger SS-Mann und nach Ansicht nicht nur der römischen Militärstaatsanwaltschaft an führender Stelle verantwortlich für die Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen 1944. Für 330 davon kann sich der heute 83jährige Priebke – wie schon vor fast fünfzig Jahren der damals abgeurteilte SS-Sturmbannführer Herbert Kappler – auf einen unmittelbaren „Führerbefehl“ Hitlers berufen. Der hatte die Repressalie nach einem Attentat auf ein Bozener Polizeihilfskorps der Nazis angeordnet: Für jeden Getöteten, 33 an der Zahl, sollten zehn Geiseln erschossen werden. Doch die fünf Überzähligen, die haben Kappler und Priebke zu verantworten.

So ganz unbeeindruckt, wie der Kollege meint, ist er zweifellos nicht. Als der Staatsanwalt am Montag nachmittag am Ende seines Plädoyers das Wort „Ergastolo“ ausspricht, lebenslänglich, hat Priebke die Augen schräg zu Boden gerichtet, so als studiere er die Schuhe seines Verteidigers: Bisher hatte er jeden, der sprach, mit seinen Blicken fixiert, was den italienischen Kollegen immer wieder die „Hypnose der harten blauen Augen“ suggerierte.

Besonders getroffen hat Priebke offenbar, daß der Staatsanwalt auch nicht einen einzigen Milderungsgrund anerkennt – die „fünf überzähligen Geiseln wurden ohne irgendeine Notwendigkeit hingerichtet“; da erkennt man einen Augenblick lang mächtigen, bösen, vielleicht gar haßerfüllten Unwillen.

Weshalb die fünf Geiseln zuviel erschossen wurden, kann auch der Ankläger nicht genau darlegen – ein Zeuge sprach davon, daß der Irrtum erst beim Leichenzählen bemerkt worden sei. Ein anderer meinte, man habe die fünf zunächst versehentlich auf die Lastwagen geladen und dann deshalb erschossen, weil sie alles mitangesehen hatten.

Priebke selbst äußert sich vor Gericht überhaupt nicht – er habe alles schon dem Staatsanwalt beim ersten Verhör gesagt. Eine kluge Art, Widersprüche zu vermeiden; der Vorsitzende Agostino Quistelli scheint dankbar, weil sich der Prozeß damit wohl stark beschleunigen ließ und er das Verfahren sowieso gerne so schnell wie möglich loshaben möchte. So lehnt er viele von der Anklage angebotene Zeugen kurzerhand ab. Das hat ihm mittlerweile böse Polemiken und, aufgrund einer unvorsichtigen Äußerung ebenso wie einem Beisitzer, einen Befangenheitsantrag eingebracht, beide wurden aber vom Revisionsgericht abgewiesen.

Staatsanwalt Antonio Intelisano mußte sein gesamtes Anklagegebäude auf drei Pfeilern errichten: die Verantwortlichkeit Priebkes bei der Auswahl der Geiseln, seine Beteiligung an der Erschießung selbst (zwei Todesschüsse hatte er vor dem Staatsanwalt eingestanden) – und die Möglichkeit, den Erschießungsbefehl zu verweigern. Während Priebke und einige seiner Zeugen eine Befehlsverweigung mit der Unterzeichnung des eigenen Todesurteils gleichsetzten, behaupteten andere ehemalige Mitglieder der Kompanie, einige Soldaten hätten sich durchaus und ohne weitere Nachteile geweigert, sich an der Erschießung zu beteiligen. Doch der Ankläger konnte keinen dieser Verweigerer auffinden und in den Zeugenstand laden.

So setzen die Nebenkläger – das Gericht hatte nur ein Dutzend zugelassen, mehr als 90 hatten einen Antrag gestellt – alle Hoffnung auf ihre Anwälte: Advokaten von hoher Qualität wie der Vertreter der Jüdischen Gemeinden, Terracini, und der ehemals für Linksextremisten eingetretene Tommaso Mancini haben zahlreiche zusätzliche Beweisstücke beigebracht, die Priebkes Verurteilung ermöglichen könnten, denn „nur wenn der ins Gefängnis kommt, hat er noch die Chance, zu bereuen“, so Terracini bei seinem Plädoyer.

Doch mitten hinein in diese eigentlich allerletzte Runde platzte eine Nachricht, die alles wieder durcheinanderbringt: Das Revisionsgericht hat entschieden, über einen zusätzlichen Ablehnungsantrag gegenüber dem Vorsitzenden doch noch zu verhandeln – aber erst Ende Juli. Bis dahin hätte eigentlich das Urteil schon gesprochen sein sollen.

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