■ Kommentar: Kontrolle ernst nehmen
Ein Blick in das Handbuch der Senatsverwaltung für Finanzen über landeseigene Beteiligungen macht klar: An Aufsichtsräten in Unternehmen herrscht wahrlich kein Mangel. So viele Senatoren und Staatssekretäre gibt es gar nicht, wie Posten bei Bewag, BVG, BSR oder Wohnungsbaugesellschaften zu besetzen sind. Bei derlei Vielfalt dürfte es manchem, der gleich in mehreren Aufsichtsräten sitzt, schwerfallen, die ihm gesetzlich abverlangte Kontrolle auszuführen.
Nun kann man die Rolle aber auch ein wenig anders verstehen, wie kürzlich Wirtschaftssenator Pieroth vorgemacht hat: Als Mitglied im Bewag-Aufsichtsrat ließ er die zu hohen Energiepreise für Großabnehmer durchgehen, die prompt vom Bundeskartellamt gegeißelt wurden. Daraufhin kündigte sein Staatssekretär niedrigere Tarife an, obwohl die Wirtschaftsverwaltung zuvor die Preise auch selbst genehmigt hatte.
Hier zeigt sich nun die Krux der doppelten Lasten, die sich Senatoren aufbürden. Als Aufsichtsratsmitglied muß Pieroth natürlich an möglichst guten Bewag-Erträgen gelegen sein, als Wirtschaftssenator aber an möglichst günstigen Tarifen für den ohnehin angeschlagenen Industriestandort Berlin. Für Pieroth gibt es daher nur zwei Möglichkeiten: Entweder er zieht sich aus dem Aufsichtsrat zurück, oder die ihm unterstehende Preisgenehmigungsbehörde wird einem anderen Ressort zugeschlagen. Alles beim alten zu belassen hieße aber die Kontrollfunktion von Aufsichtsräten, die ohnehin in vielen Bereichen zu wünschen übrigläßt, vollends ins Absurde zu führen. Severin Weiland
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