: „Übriggebliebene Berufskritiker“ auf der Straße
■ Eltern, Kinder und PädagogInnen gegen die Verläßliche Halbtagsgrundschule
Rund 300 LehrerInnen, HortmitarbeiterInnen, Eltern und SchülerInnen demonstrierten gestern in Wilhelmsburg gegen die schlechten Rahmenbedingungen der Verläßlichen Halbtagsgrundschule, die am 1. August als erstes im Süden Hamburgs eingeführt wurde. Dem durchaus vernünftigen Reformprojekt fehle die solide Basis, kritisierten VertreterInnen der GEW, die neben anderen zu dem Protest aufgerufen hatte. Die 89 zusätzlich notwendigen LehrerInnenstellen seien zusammengekratzt worden und fehlten jetzt andernorts.
Die GEW fordert pro Tag zwei „Teilungsstunden“, in der zwei Päd-agogen die Klasse betreuen, und pro Klasse einen Gruppenraum oder ein entsprechendes Raumangebot. Schon jetzt gebe es in der Region A mit Harburg, Wilhelmsburg, Bergedorf, Finkenwerder, Süderelbe und Mümmelmannsberg 20 Grundschulklassen mit 30 Kindern.
Ohne räumliche Ausweichmöglichkeiten und individuelle Zuwendung in kleinen Gruppen seien viele Kinder überfordert und reagierten aggressiv oder mit Erschöpfung, mahnen die GEWler. Deshalb verlangen sie deutlich kleinere Klassen für die Verläßliche Halbtagsgrundschule. Derzeit darf die Grenze von 26 Kindern um zehn Prozent überschritten werden. „Keine Zwangsteilzeit für HorterzieherInnen“, war eine weitere Forderung, da von einem so niedrigen Gehalt niemand leben könne. Von einer individuellen Hortpädagogik könne ohnehin nicht mehr die Rede sein, wenn die Kinder nach Schulschluß in die Horte strömten.
Reformmüdigkeit, Verantwortungslosigkeit, ja sogar Gewerkschaftsschädigung werfen die Schulsenatorin Rosemarie Raab und der bildungspolitische Sprecher der SPD, Günter Frank, der GEW vor.
„Nirgendwo in dieser Republik haben GrundschulpädagogInnen bessere Bedingungen“, lobte Rosemarie Raab ihr Werk. 89 zusätzliche LehrerInnenstellen für 23 Stunden mehr Lernzeit für jedes Kind, neue Räume für 6,4 Millionen Mark und pädagogisch wohldurchdachte Schulkonzepte hielt sie den aufmüpfigen GEWlerInnen entgegen; und Günter Frank titulierte die Protestierer als „übriggebliebene Berufskritiker“, die den Reformweg aber nicht mehr verbauen könnten. Patricia Faller
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