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„Getrübte Wahrnehmung“

■ Beamter der Wache 11 freigesprochen

Freigesprochen wurde gestern auch in zweiter Instanz der 26jährige Polizist Sascha K. Der Beamte der Polizeiwache 11 hatte sich wegen Körperverletzung im Amt vor dem Hamburger Landgericht zu verantworten. Bereits im Januar war ein Amtsgericht zum gleichen Urteil gelangt, gegen das der Staatsanwalt Berufung eingelegt und 6000 Mark Geldstrafe gefordert hatte.

Im April 1994 soll der Polizist einen Partygast, der sich nicht ausweisen wollte, bei der Festnahme und anschließend auf dem Revier mißhandelt haben (taz berichtete). Der 39jährige Krankenpflegehelfer G. war Gast einer Geburtstagsfeier, zu der eine Polizeistreife gerufen worden war. Nachbarn hatten sich in ihrer nächtlichen Ruhe gestört gefühlt.

Der Partygast hatte erklärt, er habe die Beamten nicht als solche erkannt, weil sie keine „Mützen“ trugen. Und als er sich nicht ausweisen wollte, hätten ihn die Polizisten „zu Boden gebracht“ und ihn anschließend an den auf dem Rücken gefesselten Händen hochgezogen. Auf dem Revier schließlich sei er mehrmals gegen Türzargen gestoßen worden.

Das Landgericht mochte die Glaubwürdigkeit des 39jährigen zwar nicht bezweifeln, doch sei seine Wahrnehmung wegen des hohen Alkoholgenusses von 1,7 Promille „erheblich getrübt“ gewesen. Außerdem habe er sich bei der Identifizierung seines Peinigers widersprochen. Statt dessen schenkte der Vorsitzende Richter der Version zweier Polizisten, die den Angeklagten entlasteten, Glauben, weil sie sich in wesentlichen Punkten nicht widersprochen und die Festnahme sachlich geschildert hätten. „Nur wenn man davon ausgeht, Polizeibeamte lügen immer, wenn sie andere Kollegen nicht belasten wollen“, so der Richter, könne man die Glaubwürdigkeit der beiden Polizisten in Frage stellen.

Dennoch betonte er in der Urteilsbegründung, es sei offen, ob der Partygast auf dem Revier nach der Durchsuchung auf dem Weg zur Zelle mißhandelt worden sei oder nicht. Denn dafür gab es keine Zeugen mehr. Patricia Faller

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