: City Ost auf den Marschenboden
Voscherau gibt eine Hochhaussiedlung und ein Güterverkehrszentrum zwischen Tiefstack und Moorfleet in Auftrag ■ Von Florian Marten
Hamburgs Regierungschef Henning Voscherau hat Visionen: Zwischen Tiefstack und Billwerder, so sein Traum, könnte „zur City-Entlastung ein Hochhausstadtteil (City Ost)“ entstehen. Auf Voscheraus Anweisung arbeitet Oberbaudirektor Egbert Kossak derzeit an einer Skizze, welche die Realisierungs- chancen dieser Idee überprüfen soll. Dies geht aus einem vertraulichen Protokoll der Senatskommission für Stadtentwicklung hervor, welches der taz vorliegt. Offiziell nimmt die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) keine Stellung. Ihre Auskunft: „Kein Kommentar.“ Hinter vorgehaltener Hand wird aber mal empört, mal mitleidig über die „absurde Idee“ gelästert.
Die Augen der städtischen Planer sind seit Jahren begehrlich auf Hamburgs Wilden Osten gerichtet: Im Niemandsland zwischen Hamm und Bergedorf, wo sich die Bille schlängelt, LKW-Halden tristen Charme versprühen und Allermöhe I, II und III emporwuchern, gibt es noch immer viel Marschenboden, der die Phantasie der Planer reizt. Nachdem nun die Senatskommission grünes Licht für eine konzertierte Planungsattacke gab, wird Hamburgs Osten zugeplant, allein über die Art der Bauten und die Größe der Restwiesen wird noch gestritten.
Vor Voscheraus Hochhaus-Vorstoß, mit dem er Freund und Feind gleichermaßen überrumpelte, war die Frontlage innerhalb der Hamburger Behörden noch eindeutig. Wirtschafts- und Baubehörde liebäugelten mit Gewerbegebieten und einem gigantischen Güterverkehrszentrum (GVZ) in Moorfleet, die Stadtentwicklungsbehörde plädierte für das scheibchenweise Verfrühstücken der Marsch: Für ein reines Gewerbegebiet sei Hamburgs letzter großer Freiraum denn doch zu schade, meinte Mirow, etwas Wohnungsbau müsse sein und ein mittelgroßes GVZ täte es doch auch. In dieses Bild paßt die Position Mirows, der einen geplanten Haltepunkt für den Transrapid in Moorfleet ablehnt.
Voscherau höchstselbst sorgte deshalb nicht ohne Hintersinn dafür, daß Kompetenzen von Bausenator Eugen Wagner in nicht unerheblichem Umfang auf Mirow übergingen: Dessen Oberbaudirektor Kossak soll einerseits abchecken, ob Voscheraus City-Ost-Idee sich mit den GVZ-Plänen beißt, und andererseits konkret die Federführung bei der Bauleitplanung für ein Güterverkehrszentrum Hamburg-Ost übernehmen. Bausenator Eugen Wagner darf sich lediglich um die Auswahl eines GVZ-Investors kümmern.
Ein geschickter Schachzug, mit dem die Steb auf GVZ-Kurs gebracht wurde. Damit droht dem Hamburger Osten ein baldiges LKW-Inferno: Findet Wagner einen Investor und plant die Steb zügig, könnte das LKW-Zentrum noch vor dem Jahr 2000 seinen Betrieb aufnehmen. Im Jahr 2005 dröhnen die LKW-Karawanen zur Belieferung der City dann vielleicht schon durch ein neues Hochhausgebiet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen