■ Kommentar: Unter Zugzwang
Hochschulpolitik findet vor Gericht statt: In einer Stampede rennen derzeit 2.500 StudentInnen zum Verwaltungsgericht, um gegen Studiengebühren zu klagen. Bündnisgrüne und Freie Universität sind wegen des Haushaltsstrukturgesetzes vor den Kadi gezogen. Gerngesehene Gäste vor Justitia sind auch Studienplatzbewerber, die sich mit schöner Regelmäßigkeit in die verrottenden Elfenbeintürme hineinklagen. Und die Richter im Verwaltungsgericht warten schon haareraufend auf die Exmatrikulationsklagen, die ab Oktober zu erwarten sind. Die dritte Gewalt ist weniger aus Rechthaberei gesucht denn als Notbehelf. Wer an der Spree was in die Birne kriegen will, muß geradezu mit dem Kadi drohen – sonst tut sich nichts.
Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) hat da zunächst mitgezogen. Nun aber, nachdem er sich „die Sache eine Weile angeschaut hat“, will er nicht mehr mittun. Vom Verwaltungsgericht immer öfter in die Kirchstraße zitiert, ist er der rechtlosen Wilderei in seinem Ressort überdrüssig geworden. Mit ihm seien die jüngsten Kürzungsvorgaben nicht zu machen. Basta. Deutet sich da ein Prioritätenwechsel an? Radunski, die „Billardkugel mit Schnauzer“ (Spiegel), ist auch politisch kein Leichtgewicht. Der ehemalige CDU-Wahlkampfstratege und bundesweit erprobte Politprofi wird es sich nicht bieten lassen, daß Kultur und Wissenschaft die Sparschweine der Koalition sein sollen. Seine Karte „Diese Kürzung nicht mit mir“ hat er angesichts der Tiefe des Haushaltslochs zwar schon etwas früh gespielt. Aber das setzt ihn wenigstens unter Zugzwang. Vielleicht finden die Hochschulen im Windschatten Radunskis ja tatsächlich eine Atem- und Reformpause. Die Alternative wäre der finanzielle und intellektuelle Bankrott. Christian Füller
siehe Meldung Seite 22
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