: Bundeswehr wirbt mit Freunden und Führerschein
■ Ab nächsten Freitag erschallt aus deutschen Fernsehern der Spot zur Verstärkung der Truppe. Die Zehn-Millionen-Mark-Aktion mißfällt auch manchen Insidern
Bonn (taz) – Michael Puke (20) gefällt beim Militär die „wahnsinnstolle Kameradschaft“. Stefan van den Boom (23) freut sich über „viele neue Freunde“ und darüber, daß er während seines Grundwehrdienstes auf Kosten der Bundeswehr den Führerschein Klasse 2 machen konnte.
Ab 16. August wird das überschwengliche Lob des Lebens der Wehrpflichtigen in Millionen deutschen Wohnzimmern erklingen: Sechs Fernsehsender strahlen bis Ende September nach dem Wetterbericht, in Sportsendungen und Vorabendserien oder in Infotainment-Magazinen bezahlte Werbespots von 45 Sekunden Länge aus. Die Bundeswehr will mit ihrer diesjährigen Kampagne „Wehrpflichtige 96“, die offiziell erst kommende Woche vorgestellt werden soll, junge Männer für den Grundwehrdienst begeistern.
„Inhalt und Sinn“ der Wehrpflicht darzustellen war der Auftrag von Verteidigungsminister Volker Rühe für die Werbeaktion. Was dabei herausgekommen ist, findet in Kreisen der Bundeswehr nicht nur Zustimmung. Vom Verfassungsauftrag des Militärs sei kaum die Rede, dafür viel von individueller Lebensplanung und persönlichen Bedürfnissen: So hat sich Torsten Lindemann entschlossen, seine Dienstzeit zu verlängern, weil ihn die monatlich 1.200 Mark locken. Thorsten Urbaniak sucht mehr die sportliche Herausforderung: „Ich habe mittlerweile gelernt, an meine Grenzen zu gehen.“
Der 21jährige Benjamin Wolff aus Hamburg erinnert sich, wie alle zu Beginn des Wehrdienstes ihre Uniform bekommen hatten. Danach „sahen wir alle gleich aus, und das war unheimlich gut.“ So sei es möglich gewesen, „ohne Scheu aufeinander zuzugehen. Alle saßen im selben Boot.“ Der 23jährige Wehrpflichtige Mario Podeski ist ganz allgemein von der Bundeswehr begeistert: „Bis jetzt ist alles super hier.“ Während Parteien über die politischen Folgen einer möglichen Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht streiten, wirbt die Bundeswehr mit positivem Lebensgefühl und materiellen Vorteilen. „Mit dem Vordergründigen“, moniert ein Berufssoldat.
Erstmals werden im Rahmen einer Werbekampagne auch 40 Hörfunksender beliefert. Darüber hinaus erscheinen großflächige Anzeigen in Illustrierten und überregionalen Tageszeitungen – allerdings nicht in großen Regionalblättern. Es habe an den finanziellen Möglichkeiten gefehlt, um in all diese wichtigen Teilbereiche zu gehen, war dazu aus dem Verteidigungsministerium zu hören. Gar so knapp war das Geld allerdings nicht: Mit mehr als zehn Millionen Mark wird die Aktion fast die Hälfte des gesamten Werbeetats, der dem Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums zur Verfügung steht, verschlingen. Bettina Gaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen