: Keiner mag sie, aber alle rechnen mit ihr
Ist die PDS eine Partei, die reif ist für eine Koalition? Die Frage, die zunächst die SPD umtrieb, bewegt nun auch Kerstin Müller und ihre Bündnisgrünen. Mit Kritik wird nicht gespart ■ Aus Bonn Markus Franz
Die PDS mausert sich zum Star der Sommerpause. Nicht wegen eigener Aktivitäten, sondern als Spielball eher theoretischer Koalitionsoptionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
Nachdem bei der SPD nach ein, zwei Tagen die aufgeregte Diskussion verstummt ist, geht sie bei den Grünen weiter. Der letzte Höhepunkt: Die Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen, Kerstin Müller, will für einen Machtwechsel in Bonn eine Koalition mit der PDS nicht ausschließen, fordert aber die PDS auf, ihr Verhältnis zur Vergangenheit zu klären. Nicht nur Politiker aus den eigenen Reihen kritisierten Müllers Aussagen. Daß sich Müller ausgerechnet zum Jahrestag der Mauer zu Wort gemeldet hat, kommentieren CDU und CSU als „schamlose Verhöhnung“ der SED-Opfer. Und Wolfgang Thierse von der SPD meint, Müller hielte „leichtsinnige Reden“. Das Schema der wiederkehrenden Diskussion um eine Koalition mit der PDS ähnelt sich.
Sowohl bei der SPD als auch bei den Bündnisgrünen brachte ein Politiker aus den neuen Ländern den Stein ins Rollen. Bei der SPD war es der thüringische Vorsitzende Richard Dewes, bei den Grünen der Magdeburger Fraktionschef Hans-Joachim Tschiche. Sofort sprangen ihnen bereitwillige Bundespolitiker zur Seite. Bei der SPD der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, bei den Grünen Parteisprecher Jürgen Trittin. Dafür gab's dann Haue aus den eigenen Reihen, und die Parteiführer lassen die Katze nicht aus dem Sack: Weder SPD- Chef Oskar Lafontaine noch B90/Grüne-Fraktionssprecher Joschka Fischer beteiligen sich an der Diskussion.
Während bei der SPD aber die Fronten unversöhnlich scheinen – Fraktionschef Rudolf Scharping und Geschäftsführer Franz Müntefering schließen eine Koalition mit der PDS nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landesebene kategorisch aus –, sind sich die Grünen gar nicht so uneins. Denn einen Grundkonsens haben alle an der Debatte beteiligten Bündnisgrünen allemal: Die PDS ist eine demokratische Partei, und Koalitionen sollen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Auch die Frage, ob die PDS schon jetzt auf Bundesebene koalitionsfähig ist, beantworten alle Beteiligten eindeutig mit „Nein“. Dies gilt auch für Kerstin Müller, wie sie gestern im Gespräch mit der taz konkretisierte. Die PDS müsse erst beweisen, ob sie wirklich eine Linkspartei sei. Zur Zeit sei große Skepsis angebracht.
Im Grunde dreht sich der Streit bei den Bündnisgrünen darum, ob die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt geführt werden soll oder nicht. Dabei gibt es zwei Argumentationslinien. Die einen, wie Kerstin Müller und Jürgen Trittin, befürworten die sofortige Debatte, um die PDS anzustoßen, bei inhaltlichen Positionen Farbe zu bekennen und überhaupt erst koalitionsfähig zu werden. Die PDS tue zwar sehr links, sagte Kerstin Müller, sie stehe formal für Ökosteuer, Grundsicherung und multikulturelle Gesellschaft, aber die Realität sehe anders aus. Da sage etwa der Bürgermeister von Hoyerswerda: „Wir haben jetzt genug Asylbewerber.“
Die anderen, wie Werner Schulz, Klaus-Dieter Feige (Sprecher in Mecklenburg-Vorpommern) und Parteisprecherin Krista Sager, lehnen die Auseinandersetzung dagegen ab, weil sie zunächt sichergehen wollen, daß die PDS überhaupt reif für eine Koalition ist, bevor darüber diskutiert werden soll, ob man eine Koalition mit der PDS eingehen will. Als schärfster Müller-Kritiker profiliert sich der Sachse Werner Schulz. Die Forderung nach Vergangenheitsbewältigung sei „Papperlapapp“. Die PDS sei weder in der Lage noch willens, Konsequenzen aus der Vergangenheit zu ziehen: „Sie ist muffig, autoritär, konservativ.“ Die PDS-Klientel sei eher rechts eingestellt: Sie trete für Ordnung, Sauberkeit, Fleiß, eben deutsche Sekundärtugenden, ein. Aber Schulz will der PDS eine Chance geben. Allerdings müsse sie sich in einem Landesparlament über eine ganze Legislaturperiode beweisen.
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