: FDP fordert Steuerreform vor Bundestagswahl
■ Spitzensteuersatz soll nach Vorstellung der Liberalen von 53 auf 40 Prozent gesenkt werden. Waigel lehnt Luxussteuer mit Verweis auf EU-Bestimmungen ab
Bonn (AFP) – Teile der geplanten Steuerreform sollen nach dem Willen der FDP noch vor der Bundestagswahl 1998 in Kraft treten. So könne der Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer vor der Wahl von 53 Prozent auf 40 Prozent gesenkt werden, sagte FDP- Chef Wolfgang Gerhardt gestern. Dagegen erklärte der CDU-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl in Bonn, die Steuerreform werde spätestens am 1. Januar 1999 in Kraft treten. Das Gesetzgebungsverfahren solle Anfang 1998 beendet sein. Der Bürger solle vor der Wahl zumindest wissen, „was auf ihn zukommt“. Zugleich bezeichnete Gerhardt die seit Tagen andauernde Diskussion um eine Mehrwertsteuererhöhung als „psychologisch kontraproduktiv“. Bevor das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern austariert werde, müsse über Steuersenkungen nachgedacht werden. Die Mehrwertsteuer zählt zu den indirekten, Lohn- und Einkommensteuer zu den direkten Steuern. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hatte eine höhere Mehrwertsteuer am Freitag als unvermeidlich bezeichnet. Für die SPD lehnte deren Bonner Fraktionschef Rudolf Scharping gestern eine höhere Mehrwertsteuer erneut ab. Sie wäre Gift für die Nachfrage, sagte er im Südwestfunk.
Keine Chance, umgesetzt zu werden, scheint indes eine Luxussteuer zu haben. Diese hatten am Wochenende Vertreter der SPD und der Arbeitnehmerflügel der CDU gefordert: Auf Luxusgüter soll demnach eine Abgabe in Höhe von 20 Prozent gezahlt werden. Das Bonner Finanzministerium lehnte eine solche Steuer jedoch mit dem Argument ab, sie sei nicht mit dem geltenden EU-Recht vereinbar.
Ein Ministeriumssprecher verwies auf die seit dem 1. Januar 1993 geltende EU-Richtlinie, wonach bei der Mehrwertsteuer nur ein „normaler“ Mehrwertsteuersatz und bis zu zwei ermäßigte Steuersätze möglich seien. Nach dieser Richtlinie müsse der „normale“ Steuersatz zugleich der höchste Steuersatz sein. In Deutschland gilt derzeit neben dem normalen Mehrwertsteuersatz von 15 Prozent ein ermäßigter Steuersatz von 7 Prozent auf Lebensmittel, Zeitungen und Bücher.
Zur Frage der Mehrwertsteueranhebung meldete sich gestern auch das Statistische Bundesamt zu Wort. Eine Anhebung würde voll in die Preisentwicklung mit eingerechnet werden, hieß es. Da jedoch bestimmte Bereiche wie Mieten nicht davon betroffen seien, verteuere sich der gesamte Waren- und Dienstleistungskorb um etwa die Hälfte der Steueranhebung. Diese Erfahrung habe man bei der letzten Anhebung 1994 gemacht.
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