■ Nachschlag
: Kleine Brüste, große Hände - Sextheater im Lennon-Gymnasium

So soll es sein. Eine weitgehend luftdicht zugehängte Mensa, eine Bühne, auf der nichts steht außer einer blauen Blümchencouch, einem Klavier und zwei Klarinetten. Ungefähr 200 tobende Schüler kamen zum Gastspiel der Theater-AG der Robert-Koch-Oberschule in Kreuzberg, mit der das John-Lennon-Gymnasium „scheint's irgendwie befreundet ist“, wie ein hübscher Junge zu berichten wußte, der sich darüber hinaus sicher war, daß das John-Lennon-Gymnasium „wahrscheinlich erst seit der Wende so heißt“.

Mit aufgeregter Verspätung begann gegen 20 Uhr das Stück „Is Sex necessary...?“ nach Vorlagen von James Thurber. Dieser Frage wurde von der AG „The Wild Bunch & Guests“ in 12 kleineren und längeren Szenen nachgegangen – naturgemäß immer auf, unter oder neben jener Blümchencouch. Hin und wieder wurden die Instrumente eingesetzt, manchmal auch ein träges Küchenlied geträllert: „Jetzt bin ich ohne Not, denn meine Jungfernschaft ist tot.“ Der unverzichtbarste Bestandteil der Aufführung war eigentlich ein Overhead-Projektor, mittels dessen ein Schüler pro Szene eine andere Folie mit humorigen 50er Kartoons von James Thurber an die Wand warf. Es ging um Dinge wie: „Sie legte ihre kleinen Brüste in seine große Hand.“ Aber hauptsächlich darum, daß sich ein Junge und ein Mädchen auf dem Sofa wälzten.

Das Publikum war begeistert. Kleinste Anzüglichkeiten wurden mit hysterischem Kreischen belohnt, und beim Auftritt eines Schülers, der eine entfernte Ähnlichkeit mit Gérard Depardieu hatte, geriet der ganze Saal aus dem Häuschen. Alle wollten ihre Mitschüler oben auf der Bühne rumknutschen sehen. Flotte Blondinen und Brünette, die den Zuschauern ihre nackten Fußsohlen entgegenstreckten, wurden pfeifend angefeuert. Es fiel auf, daß die Mädchen überwiegend mit nackten Füßen spielten und die Jungs lieber ihre weißen Tennissocken anbehielten.

Ist Sex nun notwendig? Logisch. Und Lehrer geben Nachhilfe bevorzugt in der Horizontalen. Das waren so die Botschaften in der bejubelten Aufführung, die von erstaunlich wenig Eltern oder Lehrern besucht war. Zur Sicherheit habe ich noch meinen Sitznachbar (ca. süße 16) gefragt: „War das denn nun klasse?“ – „Schon, ziemlich klasse.“ Katrin Schings