piwik no script img

„Wir haben es selbst in der Hand“

■ Ihre Firma floriert, und sie leben gut davon. Andreas Kuhn und Ralf Utz sind sicher, daß das auch in Zukunft so bleibt

Sie sind mit sich zufrieden. Und so sehen sie auch aus. Andreas Kuhn (44) und Ralf Utz (33) verstrahlen Zuversicht aus allen Knopflöchern – weit mehr als in ihrer Branche ohnehin üblich. Vor vier Jahren haben die beiden in Berlin die Adverta GmbH gegründet, eine Werbeagentur. Bald werden sie ihre zweite Firma aufmachen, diesmal im Multimediabereich. „Ich hab' ein gutes Gefühl“, sagt Andreas Kuhn, „ich denke, daß ich das Richtige mache. Vielleicht“, er grinst seinen Partner an, „vielleicht haben wir ja in fünf Jahren fünf Firmen.“

Im ersten Jahr hat die Adverta 360.000 Mark Umsatz gemacht. Zwölf Monate haben sich Utz und Kuhn kein Gehalt gezahlt. Gelebt haben sie von Ersparnissen und dem Geld ihrer Frauen. Inzwischen erwirtschaftet der Betrieb einen Jahresumsatz zwischen eineinhalb und zwei Millionen Mark und beschäftigt drei Angestellte und zwei Auszubildende. Die Adverta residiert in Berlin-Tempelhof, bedient mittelständische Kunden und arbeitet auf mäßig gestylten 190 Quadratmetern. An den Wänden hängen Kreidezeichnungen von Hausherr Kuhn – er hat Kunst studiert, war Sozialarbeiter und betrieb gleichzeitig ein Graphikbüro. Vor elf Jahren stieg er in die Werbebranche um.

Freuen sich die Werbemänner, wenn Finanzminister Waigel demnächst die Unternehmenssteuer senken wird? Utz, der Diplom- Kaufmann mit dem Stoppelhaarschnitt, lacht los. Sein Schnurrbart – auf der Oberlippe tragen die Herren Partnerlook – vibriert. „Diese Steuerentlastung ist vollkommener Schwachsinn. Ein mittelständisches Unternehmen merkt sie gar nicht. Unser Betrieb mit fünf Leuten könnte dafür keinen sechsten einstellen.“

Ihren drei Mitarbeiterinnen zahlen Utz und Kuhn 4.000 Mark brutto. Sie selbst nehmen sich Ende des Monats 5.000 Mark aus der Kasse. Das ist weniger, als viele Lehrer verdienen. „Wir gehören nicht zu den Unternehmern, die sich als erstes einen dicken Wagen genehmigen“, lästert Kuhn, der, um zu sparen, sein Auto bei Firmengründung abgeschafft hat.

Mit seiner Frau und der vierzehnjährigen Tochter lebt er in einer Mietwohnung. Seine Frau und er führen streng getrennte Kassen. So weiß er genau, wofür er seine 5.000 Mark ausgibt: „1.000 Mark Versicherungen, 1.000 Mark Steuer, 1.500 für Miete und Haushaltskasse, 300 für Zigaretten, 70 Mark Taschengeld für meine Tochter und 100, die ich für sie auf ein Sparkonto lege.“ Dann ist noch ein Kredit abzuzahlen, doch 500 bis 1.000 Mark bleiben übrig. Davon spart er nichts. Dieses Geld gibt er aus für Restaurants, für Klamotten und für die Kurzurlaube mit seiner Tochter. In Portugal und Thailand waren sie in der letzten Zeit; nicht mit der billigsten Fluglinie, aber auch nicht im teuersten Hotel.

Und wenn er plötzlich weniger Geld hätte? Verzichten möchte er „auf all das“ nicht mehr, sagt Kuhn. Dann lieber mehr arbeiten. Er überlegt. „Könnte vielleicht auch aufhören zu rauchen“, brummt er dann. Teure Hobbys hat er nicht. Einen Teil seiner freien Zeit verbringt er im Vorstand von zwei sozialen Vereinen, in denen er früher gearbeitet hat.

Nie habe er vom großen Geld geträumt, versichert er. Wenn die Firma es abwirft, würde er sich zwar gern das Gehalt um ein- bis zweitausend Mark erhöhen – um sich irgendwann eine Eigentumswohnung oder ein Haus zu kaufen. Aber im nächsten Schritt möchte er dann lieber jemanden neu einstellen, um selbst weniger zu arbeiten. „Hätte ich Geld übrig, würd' ich mir vielleicht zwei Jacketts mehr anschaffen“, sinniert er, „auch mal eins für 950 Mark. Und öfter essen gehen. Aber nie würd' ich im Restaurant 150 oder 200 Mark für ein Essen bezahlen. Außer mit Geschäftsleuten.“

Angst vor der Zukunft? „Warum denn?“ Kuhn guckt erstaunt durch die runde Hornbrille. „Wir haben es doch selbst in der Hand. Wenn man vernünftig vorgeht, geht man auch nicht plötzlich pleite.“ – „Und wenn man jahrelang was macht“, mischt sich Partner Utz ein, „und weiß, daß man besser ist als andere, hat man weniger Zukunftsangst.“

Ob sie bereits ein Luxusleben führen, haben sich die beiden nie gefragt. „Vielleicht ist es ja schon Luxus, wenn man sich nicht ins Gewühl vom Winter- oder Sommerschlußverkauf stürzen muß“, spekuliert Utz. „Oder wenn man nicht gezwungen ist, bei Aldi oder Penny einzukaufen“, ergänzt Kuhn. Ihr größtes Privileg – keine Angst um Job, Wohnung und Zukunft zu haben – fällt ihnen in der Reihe der Luxusgüter nicht ein.

„Man verliert den Blick für Realitäten, wenn man immer mit Leuten verkehrt, die mindestens genausoviel oder mehr verdienen“, sagt Utz. Er sitzt im Berliner Vorstand des Verbands „Junge Unternehmer“ und ist auch deren Pressesprecher. Er ärgert sich über das, was er „Vorurteile“ nennt. „Alle denken, jeder Unternehmer ist reich. Dabei sind die meisten genauso wie wir“, verteidigt Utz seine Kaste, „Großverdiener sind nur diejenigen, die seit Generationen einen Betrieb haben.“

Zu den 3.000 Mark, die Utz nach Abzug von Steuer und Versicherung bleiben, kommt noch einmal soviel von seiner Frau dazu. Mit dem kleinen Sohn wohnt das Paar für 900 Mark auf 90 Quadratmetern im Bezirk Prenzlauer Berg, nicht gerade ein Viertel für Besserverdienende. Utz fährt einen VW Passat und ein Trekking-Bike, gibt im Monat 130 Mark für ein Fitness- Studio aus – „Wer clever sein will, muß gesund sein!“ – und 150 Mark für ein Kind in Chile, dessen Patenschaft er übernommen hat. Sein Hobby Astronomie kostet ihn so einiges, seine Urlaube auch. Trotzdem spart er, um sich ein Haus und eine Eigentumswohnung zu kaufen. Im ersten will er wohnen, die zweite will er steuerlich absetzen. „Ich bin auf dem richtigen Weg“, stellt er gelassen fest, „mit 33 ist man ja noch nicht angekommen.“

Er und sein Partner träumen davon, ein „Dienstleistungszentrum“ aufzumachen – eine Firma, die ein großes Spektrum unterschiedlichster Serviceleistungen anbietet oder vermittelt. Von der Unternehmensberatung bis zum Maschinen-Leasing. „Ich möchte nie mehr ein normaler Angestellter sein“, gesteht Kuhn, „dann bist du ohnmächtig und ausgeliefert.“ – „Wir haben die Freiheit, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen“, resümiert Partner Utz, „wenn es nicht klappt, können wir uns nur selbst die Schuld geben.“ Bascha Mika

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen