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Grüne auf der Suche nach neuer Sprecherin

■ Krista Sager geht als Parteichefin nach Hamburg. Als Nachfolgerin wird eine Kandidatin aus dem Osten mit Realo-Touch gesucht. Doch woher nehmen?

Bonn (taz) – Krista Sager wird im November nicht erneut für den Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen kandidieren. Statt dessen will die 43jährige bisherige Bundesvorstandssprecherin die Führung der Partei in Hamburg übernehmen und dort bei der Bürgerschaftswahl 1997 für ein rot- grünes Bündnis kämpfen. Bei einem Treffen ihrer Hamburger Realofreunde sei sie mit 72,5 Prozent zur Kandidatur aufgefordert worden, sagte sie gestern in Bonn. Die Bündnisgrünen haben damit ein erhebliches Problem, die Nachfolge der allseits geschätzten Realo-Politikerin neu zu besetzen. Gesucht wird jetzt eine Frau, die aus Ostdeutschland kommt und den Realos zuzurechnen ist.

Krista Sager begründete ihre Entscheidung mit persönlichen Gründen. Sie habe sich für ihre „politische Heimat Hamburg“ entschieden. Sie wies Vermutungen zurück, daß Probleme mit ihrem Partner an der Parteispitze, dem Linken Jürgen Trittin, ausschlaggebend für ihre Entscheidung gewesen sein könnten. Vorübergehend hatte jeder der beiden eigene Pressekonferenzen, mit teilweise zuwiderlaufenden Äußerungen, abgehalten. Erst in letzter Zeit hatten sie wieder gemeinsame Erklärungen abgeben.

„Ohne Schmu“, sagte Krista Sager. Das Zweierspitzen-Modell auf Bundesebene habe sich bewährt. Es sei ein Integrationsangebot sowohl für die Wähler als auch für die Parteimitglieder gewesen. Gerade die Bündnisgrünen seien eine Partei mit Anhängern aus sehr unterschiedlichen Milieus, die sich eben auch in unterschiedlich denkenden Politikern wiederfinden müßten. Jürgen Trittin bedauerte die Entscheidung von Krista Sager „außerordentlich“.

„Todtraurig“, heißt es, sei Fraktionssprecher Joschka Fischer. Der Fraktions-Oberrealo hat nun das Problem, wieder eine qualifizierte Partei-Oberreala zu finden. Auch Fraktionssprecherin Kerstin Müller kann sich als Nachfolgerin für Krista Sager nur eine Realo-Politikerin vorstellen. Daß die künftige Parteisprecherin eine Ostdeutsche sein soll, hat Krista Sager selbst aufgebracht – zur großen Überraschung ihrer Kollegen. Ihre Entscheidung, nicht mehr zu kandidieren, sei ein „Angebot an den Osten“, Kandidaten zu nennen, betonte sie. Die Bündnisgrünen rätseln nun, wer das sein könnte.

Die Skepsis, jemand Passendes zu finden, ist groß. Eine Bundestagsabgeordnete vermutet, daß niemand für die Funktion einer Parteisprecherin freiwillig auf sein Bundestagsmandat verzichtet. Doch eins könnte den Realos Beine machen, eine geeignete Kandidatin zu finden: Die Vorstellung, daß Jürgen Trittin allein Parteisprecher ist. Markus Franz

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