■ Filmstarts à la carte: Es muß „Leiber“ heißen, nicht „Körper“
Trendspotting: Nicht nur Spike Lee in Girl 6, Bertrand Blier mit Mein Mann, auch Woody Allen mit Mighty Aphrodite oder Andrew Bergmans Striptease – beide starten diese Woche – und Michael Verhoeven in seinem gänzlich versenkten Showgirls oder Scorseses Casino boten mehr oder weniger große Hurenrollen. Wenn Woody seine Judy Cum (ein Pornoköniginnenname wie Petra Nippel) einem potentiellen Boyfriend mit den Worten anbietet: „Sie hat in ,Schindlers Liste‘ mitgespielt“, tritt auf charmante Weise das uralte Dilemma der Protagonistinnen zutage: Sowohl Sharon Stone als auch Demi Moore, Mira Sorvino oder Anouk Greenberg wollen höher hinaus, und der angebliche Kompromiß besteht heute wie damals darin, daß Tits and Ass eben auch eine tragische Dimension besitzen. Woody hat's zugegeben, Blier hat dem Ganzen einen Kick verpaßt, aber die andern, vor allem jetzt Striptease mit Demi Moore (siehe Daumenkino), bedienen sich, bigott wie gehabt, des Dilemmas mit denkbar einfachen Konstruktionen. War das eigentlich früher anders? Irma La Douce?
Interessant ist jedenfalls, zu sehen, was passiert, wenn „gender studies“ und Bigotterie zusammentreffen: also die „gender studies“, deren Credo ja in der Konstruierbarkeit der sexuellen Identität liegt, biegen es so hin, daß aus „Striptease“ Maskerade und aus Prostitution Polygamie wird. Von da aus ist es kein weiter Weg mehr zur Passionsgeschichte wie in Leaving Las Vegas, dem so ziemlich unangenehmsten Vertreter dieses Genres, beide essen ihren Kuchen und behalten ihn zugleich, zeigen Rotlicht-Sex und bemitleiden oder verdächtigen ihn. Unappetitlich – my Meinung.
Das Seltsame ist, daß man bei Fritz Langs Filmen ein ganz ähnliches Gefühl hat: Ministerium der Angst, M – Eine Stadt sucht einen Mörder oder auch Metropolis tun jeweils so, als geißelten sie die Anonymität der Moderne, die, wie es dann ja immer heißt, von Franz Kafka beschrieben wurde und die sich in unsere Leiber eingeschrieben hat (R. hat recht: es muß „Leiber“ heißen, nicht „Körper“). Aber gleichzeitig spürt man, daß sie sich selber nach Ordnung sehnen, nach jemand, der den berühmten „Dammbruch“ verhindert, der es nicht zuläßt, daß wir alle Kinderschänder, Ausbeuter oder Dekadente werden. Nur Hitchcock wußte, wie man beides ausstellt.
Die Auseinandersetzungen darüber, welches die beste Stelle in Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft ist, sind noch im Gange. Ist es die Sache mit dem toten Papagei: „dies ist zweifellos ein toter Papagei“, und zum Beweis schlägt der Kunde den starren Vogel gegen die Tischkante, bis der Verkäufer aufgibt und ihm unter Tränen gesteht, daß er eigentlich etwas ganz anderes („something completely different“) werden wollte, nämlich Jäger, und man hatte ihn aber ausgelacht, weil er sang wie eine Tunte?
Oder ist es der kleine Beitrag über die Vorteile des sich Unsichtbarmachens?
Um Auflösung bittet: mn
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